Russlandversteher und Putin-Kritikerin

Trier · Die EU-Staats- und Regierungschefs, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), erwägen weitere Sanktionen gegen Russland schon kommende Woche. Denn Russland hilft prorussischen Separatisten in der Ukraine und hat dort die Krim annektiert. Andererseits haben große deutsche Unternehmen Vertreter zum Wirtschaftsforum in dieser Woche nach St. Petersburg gesandt; Manager wie Metro-Chef Olaf Koch rufen zur Pflege der Beziehungen zu Russland auf.

Dabei ist klar, dass solche exportorientierten Russlandversteher im Handel dem riesigen Staat ihr eigenes Interesse verfolgen. Sie wollen schlicht dort Geld verdienen. Appelle wie dieser machen aber deutlich, dass schon die bisherigen Sanktionen von EU und USA auch an hiesigen Unternehmen nicht spurlos vorübergehen. Die wirtschaftlichen Beschränkungen schmälern mit Kontosperren und Ausfuhrverboten nicht allein die Bewegungsfreiheit der Gefolgsleute von Wladimir Putin, Russlands Präsidenten. Sie führen zu Umsatz- und Gewinneinbußen, treffen auch Arbeitnehmer - im Osten wie im Westen.

In Deutschland äußern Firmenchefs bereits die Sorge, dass sich bei weiteren Zwangsmaßnahmen des Westens die Konjunktur eintrübt. Dies zeigt der am Freitag veröffentlichte Ifo-Index, der die Stimmung in der deutschen Wirtschaft misst.

Es sicher fraglich, wie weit Sanktionen gehen sollten und ob sie Richtiges bewirken - zumal Beispiele, wie aus dem Iran oder dem Irak unter Saddam Hussein, zeigen, dass die Maßnahmen bestrafte Regimes nicht friedfertiger machen und dass die Bevölkerungen der betroffenen Länder am meisten darunter leiden. Sendet der Westen diesmal jedoch einerseits ein Signal an Russland - "Macht bloß nicht weiter wie bisher" - und macht andererseits Gesprächsangebote, könnte es funktionieren. Kanzlerin Merkel betonte im Volksfreund-Interview , dass sie diese Doppelstrategie zwischen Kritik und Annäherung verfolgt.

Und Russland steht unter Druck, weil dessen Wirtschaft kaum noch wächst. Das erklärt vielleicht, warum Putin nun wieder Partnerschaftsverhandlungen mit der EU führen möchte.

Insofern ist es nützlich, wenn deutsche Firmen zugleich weiter mit Russland zusammenarbeiten: So reißt der friedensfördernde Faden des Handels zwischen Ost und West nicht ab.
oht@volksfreund.de

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