Theater um die Besserverdiener

Trier · Kultur ist uns Deutschen eine Menge wert. Immerhin liegt Deutschland bei der Kulturförderung international an der Spitze. Eine Untersuchung zeigte schon in den 90er Jahren, dass nur Finnland seine öffentlichen Bühnen großzügiger subventioniert als die Bundesrepublik.

Etwa 9,6 Milliarden Euro betrugen die staatlichen Zuschüsse allein im Jahr 2010. Dabei kommt dieses Geld nicht der Allgemeinheit zugute. Denn Oper und Theater sind Zufluchtsorte einer gebildeten und wohlhabenden Minderheit geblieben.

Zwei deutsche Ökonomen, Thiess Büttner und Eckard Janeba, haben jetzt in einer Untersuchung eine überraschende Erklärung für die hohen Subventionen gefunden. Kurz gesagt, es geht um einen Wettkampf der Städte um Bildungsbürger und ihre Steuergelder. Dafür greifen klamme Gemeinden tief in ihre leeren Taschen. Laut der letzten Theaterstatistik gibt die öffentliche Hand zu jedem Euro, den eine Bühne an Eintritt und Sponsorengeldern einnimmt, etwa vier Euro Förderung obendrauf. Überspitzt gesagt, könnte man für das Geld, mit dem der Staat so manches Premierenticket bezuschusst, seinem Inhaber ein Flugticket vom Hahn nach Mailand und eine Eintrittskarte für die berühmte Scala schenken, und es bliebe immer noch Geld übrig, um Sozial- oder Infrastrukturprojekte zu fördern.

Der Grund für dieses Subventionsdrama liegt laut Büttner und Janeba in den Vorlieben der gebildeten Deutschen. Für sie ist ein Wohnort mit großem Kulturangebot besonders wichtig. Da hoch qualifizierte Menschen zumeist ein besonders hohes Einkommen haben, werden sie von den Kommunen stark umworben. Denn Besserverdiener bringen den Gemeinden höhere Einnahmen: Sie erhalten etwa 15 Prozent der Einkommensteuer ihrer Einwohner.

Da Städte und Dörfer nicht direkt über die Einkommensteuer konkurrieren können, suchen sie sich Alternativen. So haben die Ökonomen ausgerechnet: Wenn eine Gemeinde ihre Kultursubventionen um 100 Euro pro Einwohner und Jahr steigert, nimmt die Zahl der Bewohner mit besserer Bildung drastisch zu. Diese Entwicklung hat allerdings einen Haken: Es kommt zu einem schärferen Wettbewerb der besser Gebildeten um die zur Verfügung stehenden Stellen. In der Folge sinken ihre Gehälter um etwa sechs Prozent und damit auch die Einnahmen der Stadt - das ist kein gutes Geschäft.

Statt den Umweg über die Kulturförderung zu nehmen, wäre es konsequenter, wenn die Kommunen ihre Einkommensteuersätze selbst festlegen könnten. Das würde voraussichtlich zu fallenden Steuersätzen führen, von denen alle profitieren. Theater und Opern würden dann zu normalen Haushaltsposten und müssten sich der Konkurrenz mit anderen kommunalen Projekten stellen. t.zeller@volksfreund.de

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