Zur Geschichte des Handkusses

Laut Meyers Lexikon ist der Handkuss eine "Grußform der Ehrerbietung, die mit dem spanischen Hofzeremoniell Ende des 16. Jahrhunderts nach Deutschland kam". Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war diese Geste auch in Deutschland fester Bestandteil der Erziehung von "höheren Töchtern und Söhnen".

 Salka Schwarz. Foto: Privat

Salka Schwarz. Foto: Privat

Schließlich sind unsere Umgangsformen entweder logisch zu erklären, oder sie haben eine historische Rechtfertigung. Das ist auch beim Handkuss so, und diese Hintergründe liefern gleich drei mögliche Gründe, weshalb er mittlerweile meist unangebracht erscheint.Der schwerwiegendste Grund: Früher galt der Handkuss als besonderes Zeichen der Ehrerbietung gegenüber "verehrenswerten Damen", also gegenüber verheirateten oder älteren Frauen. Erfreulicherweise unterscheiden wir heute nicht mehr zwischen verheirateten - höhergestellten - und unverheirateten - niedriger gestellten - Frauen, was nicht nur zur Folge hat, dass der Handkuss als Ehefrauen-Exklusivverehrung überflüssig geworden ist.Der logische Grund: Da Männer mit dem Handkuss üblicherweise nur Frauen verehren und Frauen auf Privatgesellschaften ohnehin ranghöher als Männer sind, ist es für Männer, die sich dessen bewusst sind, gar nicht nötig, Frauen darüber hinaus ihre Wertschätzung auszudrücken.Der verständliche Grund: So ein Handkuss ist nicht die einfachste Sache der Welt und bedarf neben der Kenntnis einiger Regeln auch der Übung. Zwei Handkusswillige sollten das Ritual schon beherrschen, damit der Handkuss stilgerecht gelingt - wobei selbstverständlich die Frau erst das Zeichen dafür gibt und ein höflicher Mann dann das Angebot annimmt.Das Zeremoniell beginnt, indem der Mann nur mit Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand die zum Handkuss locker dargereichte bloße Hand der Frau lediglich an den Fingerspitzen ergreift und sie behutsam ungefähr bis in ihre Brusthöhe führt. Mit einer Verbeugung verneigt sich der Mann vor der Frau, deutet in ungefähr einem Zentimeter Entfernung einen flüchtigen Kuss auf ihren Handrücken an - ohne währenddessen seine Lippen zum Kuss zu schürzen - und verweilt einen Augenblick in dieser Haltung.Obendrein ist der Handkuss in der Öffentlichkeit tabu; im Geschäftsleben ist er unangebracht, und eine Liebeserklärung ist er - traditionell gesehen - sowieso keinesfalls. In anderen Ländern ist das allerdings anders.
Aus: Salka Schwarz, "Renaissance der Höflichkeit. Fragen zur Etikette im 21. Jahrhundert".

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