Missbildung bei Baby: Sind giftige Gase schuld?

Bitburg · Eine Mitarbeiterin des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum hat ein Kind mit zusammengewachsenen Zehen zur Welt gebracht. Der von ihr zurate gezogene Umweltmediziner geht davon aus, dass die Schadstoffbelastung des in Verruf geratenen Behördengebäudes Ursache der Missbildung ist. Die zuständige Ministerin Ulrike Höfken will das nun medizinisch klären lassen.

 Dieses Archivbild zeigt das DLR-Gebäude während der Sanierung im Jahr 2009. Nach langer Diskussion hatte sich das Land Mitte 2008 aus Kostengründen für diesen Standort entschieden.

Dieses Archivbild zeigt das DLR-Gebäude während der Sanierung im Jahr 2009. Nach langer Diskussion hatte sich das Land Mitte 2008 aus Kostengründen für diesen Standort entschieden.

Foto: Dagmar Schommer

Unsichtbar waren die Gase dem Fußboden entwichen, hatten sich als süßlicher Geruch in der Behördenluft ausgebreitet und etwa die Hälfte der Menschen, die dieser Luft täglich ausgesetzt waren, krankgemacht. Manche litten unter Augenbrennen und Kopfschmerzen. Andere unter Atemnot, Müdigkeit, Nasenbluten, Übelkeit oder Hautausschlag.

Inzwischen geht es den Mitarbeitern des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum (DLR) Eifel wieder gut. Ihre Beschwerden sind verschwunden, seit die Behörde Anfang Juli vor den giftigen Gasen geflüchtet war, die mehreren Gutachten zufolge als Ursache des Übels gelten: Es handelt sich um Glykolverbindungen, die dem Fußbodenkleber des DLR-Gebäudes entweichen. Das erst Anfang 2010 bezogene Haus am Bitburger Flugplatz soll nun erneut saniert werden.

Obwohl die 125 Mitarbeiter in ihren Übergangsbüros in der Bitburger Innenstadt inzwischen weit von den Schadstoffen entfernt sind, hat die Vergangenheit sie nun eingeholt. Denn eine der Mitarbeiterinnen, die schwanger war, als die Behörde noch am Flugplatz residierte, hat inzwischen ihr Kind bekommen. Das Baby kam mit durchweg zusammengewachsenen Zehen auf die Welt.

Dr. Peter Germann - der Umweltmediziner, auf dessen Anraten hin die Behörde im Juli den Rückzug angetreten hatte - geht davon aus, dass diese Missbildung eine Folge der Schadstoffbelastung ist. Viele Glykolverbindungen seien dafür bekannt, bei Ungeborenen Missbildungen auslösen zu können. "Das ist eine plausible Kette", sagt Germann. Auch, wenn die im DLR vorkommenden Glykole bisher als weniger aggressiv galten. Und auch, wenn der Zusammenhang schwer zu beweisen sei.

Das Kind wird laut Germann nicht stark beeinträchtigt sein. Auch lasse sich so etwas operativ korrigieren. Dennoch löst die Nachricht sowohl in der Behörde als auch im übergeordneten Landwirtschaftsministerium Betroffenheit aus.

Während der DLR-Personalratsvorsitzende Michael Ehleringer sich fragt, wie es den Kollegen noch zu vermitteln sei, dass sie wieder in das Gebäude am Westpark zurückkehren sollen, meldet sich Ministerin Ulrike Höfken persönlich zu Wort. "Diese ganze Geschichte muss sehr ernst genommen werden", sagt sie. Ein unabhängiges medizinisches Gutachten soll nun klären, ob die aus dem Fußboden entweichenden Schadstoffe tatsächlich Ursache der Missbildung sind. Denn ein Arbeitsmediziner hatte laut Höfken damals Entwarnung gegeben: Erst bei 200-fach höheren Konzentrationen könne eine Fruchtschädigung auftreten.

Fest steht: So oder so soll das Haus am Westpark saniert werden. "Mir ist es wichtig, dass die Leute wieder Vertrauen zu dem Gebäude haben", sagt Höfken. Ein Gebäude, das das DLR 2010 auf 20 Jahre angemietet hat. Deshalb wird eine Baubiologin damit beauftragt, die Sanierung der rund 100 Büros zu begleiten. Ein Sanierungstagebuch soll Auskunft über die einzelnen Schritte geben.

Und wenn alles fertig ist, sieht der Plan vor, alles ein paar Wochen ruhen zu lassen, um dann erneut die Schadstoffkonzentration in der Büroluft zu messen. Erst dann soll wieder umgezogen werden. Als Termin für die Rückkehr nennt die Ministerin die Sommerferien 2012. Bis dahin gibt es in der laut Höfken "unseligen Geschichte" noch viel zu klären. Insbesondere die Fragen, wer die Schuld trägt und wer für die durch die Schadstoffbelastung entstandenen Kosten aufkommt.

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