Mit sanfter Beharrlichkeit

"Hügel Kühn" nannten ihn liebevoll seine Freunde und bisweilen spöttisch seine Gegner. Ein plattes Brett, das es zu begrünen und mit ein paar Blumen einzufassen galt, waren Gärten und Parks für Gottfried Kühn tatsächlich nie. Als lebendigen Raum mit Höhen und Tiefen, weiten Ausblicken und besinnlichen Plätzen - eben als Lebensraum Garten - begriff der Gartenarchitekt die Außenanlagen, die er zu gestalten hatte.

Nicht länger musste sein Rasen als getrimmte und mit Verboten belegte Grünfläche darben. Als "begehbare Plastik" ließ er ihn im Wortsinn auferstehen und zu neuem Leben erwachen. Gottfried Kühns Garten Stücke blieben im Fluss. Als spannende Naturbühnen, deren Hauptdarsteller die Pflanzen und deren Aufzüge die Jahreszeiten waren, sorgten sie für Abwechslung und immer neue Gartenwelten. "Es war unerheblich wie groß das Areal war", schrieb er einmal, es geriet immer zu einer größer wirkenden, den Rahmen sprengenden Folge von Erlebnisräumen". Was sich heute als Bauen auf Dialog darstellt - sprich das Miteinander von Architektur und Landschaft - hatte der 1912 in Berlin geborene Gartenarchitekt längst für sich verwirklicht, bevor es in einer malträtierten und verbauten Landschaft zum Lebensnotwendigkeit wurde. Der Sohn eines Landwirts aus der Neumark, der 2002 starb, gehört denn auch zu den wegweisenden Gartenarchitekten der Nachkriegsmoderne.

Seinem großen Vordenker hat jetzt der Landesverband Rheinland-Pfalz/ Saarland im Bund der Deutschen Landschaftsarchitekten (BDLA), dessen Ehrenmitglied Gottfried Kühn über viele Jahre war, einen Preis gewidmet, der erstmals in Trier am 1. Oktober auf der Landesgartenschau vergeben wird. "Wir haben gelernt, dass Genie Fleiß ist und dass man mit großer Konsequenz und Durchstehvermögen das einmal vor Augen stehende Bild bis auf das letzte I-Tüpfelchen durchzusetzen hat". Als Mann von großer Willenskraft beschreibt ihn seine Tochter Cornelia Weik: "Schon früh um fünf saß mein Vater über seinen Planungen, weil er dann die besten Ideen hatte". Und auch Landscheids Bürgermeister Egon Birresborn erinnert sich an die "sanfte Beharrlichkeit" mit der Kühn seinen Beitrag zur Verschönerung des Ortes durchsetzte. Stehvermögen galt es auch anderswo zu beweisen.

Zahlreiche Schicksalsschläge suchten Kühn heim. Im Krieg hatte der einstige Hindernisläufer ein Bein verloren. In die Knie zwingen ließ er sich deshalb nicht. Weiterhin betrieb er seine geliebte Bergsteigerei, unermüdlich war er zu seinen Baustellen unterwegs. Zu Beweglichkeit, Ausdauer und der Bereitschaft sich zu belasten, kam Kühns nie nachlassende Liebe zur Natur. Nicht als neuer Schöpfer oder Beherrscher sondern als ihr organisches Teil habe sich der Gartenarchitekt verstanden, berichtet ein Freund und Kollege. Angefangen hatte übrigens alles 1931 als Kühn in Potsdam-Bornim beim berühmten Staudengärtner und Züchter Karl Foerster eine Lehre anfing. Zum "Bornimer Kreis" gehörten auch die angesehenen Gartenarchitekten Herta Hammerbacher und Hermann Mattern, dessen Büro in Bonn Kühn fast 20 Jahre später übernahm. Bei Foerster lernte Kühn den Beruf des Gärtners von der Pike an. Hammerbacher schärfte seinen Blick für die "Ästhetik, Heiterkeit und Harmonie" des Gartens. Der Zweite Weltkrieg machte Kühns Gartenlust erst einmal ein jähes Ende. 1945 - nach Kriegsdienst und Verwundung - galt es, neu anzufangen. Kühn ging nach Kassel, wo Mattern Professor für Landschaftsarchitektur war. Ab 1949 leitete Kühn Matterns Büro in Bonn. Von dort wirkte der rührige Gartenarchitekt an der Gestaltung der Grünanlagen der Bundesbauten in Bonn mit. 1951 schließlich eröffnete Kühn sein eigenes Büro in Köln-Marienburg, später zog er ins neue Nobelviertel Hahnwald um. Sein Wohn- und Arbeitshaus dort entsprach seinem Ideal: ein lichtes Miteinander von Außen- und Innenraum umgaben jene Hügel und Mulden, die selbst "Wohngefühl und Gartenatmosphäre ausstrahlten".

Einen letzten Traum vom Naturraum erfüllte sich Gottfried Kühn, als er im Ruhestand die Landscheider Mühle bezog. Mehr als 3000 Projekte überall in Deutschland zeugen von Kühns umfangreichem Wirken. Zahllos scheinen seine Preise und Auszeichnungen. Freilich: ein Planer am grünen Tisch, dem Gartenkunst ein Selbstzweck ist, war Kühn nie. Als Dienst an Mensch und Natur, als greifbaren Beitrag zu mehr Lebensqualität und einer besseren Umwelt hat der Gärtner und Autor zeitlebens seine Arbeit verstanden.

Eva-Maria Reuther

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