Models und Muskeln: Freistilschwimmerinnen müssen zulegen

London (dpa) · EM und Olympia ohne deutsche Freistil-Staffel über 4 x 100 Meter - was waren das noch Zeiten mit einer Britta Steffen oder Franziska van Almsick. Warum aber ist die internationale Spitze so viel schneller?

 Dorothea Brandt hat im Kraftbereich zugelegt. Foto: Martin Schutt

Dorothea Brandt hat im Kraftbereich zugelegt. Foto: Martin Schutt

Seit dem Rücktritt von Olympiasiegerin Britta Steffen sind deutsche Freistilschwimmerinnen über 100 Meter nicht mehr konkurrenzfähig.

Bei den Spielen in Rio wird eine Freistil-Staffel über 4 x 100 Meter fehlen - selbst für die EM in London war ein deutsches Quartett nicht konkurrenzfähig. Fragen und Antworten zum Niedergang einer einstigen deutschen Paradestrecke mit Staffel-Medaillen und Glamour à la Franziska van Almsick.

Wie ist der Ist-Zustand?

Die deutsche Meisterin Annika Bruhn schwamm bei ihrem nationalem Titelgewinn vor anderthalb Wochen die 100 Meter Freistil in 54,85 Sekunden. Die Vorlaufschnellsten bei der EM waren anderthalb Sekunden schneller. Bei der WM 2015 wurde Bruhn 33. im Vorlauf, Titelträgerin Bronte Campbell (Australien) war 3,2 Sekunden schneller.

Warum ist der Abstand zur Spitze so groß?

Den deutschen Freistilschwimmerinnen fehlt es an Kraft. Defizite bei der Grundlagenausdauer wurden inzwischen zwar aufgeholt, nun müssten die Athletinnen Muskeln aufbauen, um schneller zu werden - so, wie es die Weltklasse in den vergangenen Jahren getan hat. Im Vergleich sähe die deutsche Spitze aus „wie kleine dünne Models, aber nicht wie Sportlerinnen“, bemühte Chefbundestrainer Henning Lambertz bei der DM einen plakativen Vergleich.

Eine Dorothea Brandt hingegen darf nach intensiven Krafttraining über die 50 Meter Freistil auf einen Platz im Olympia-Finale hoffen. „Eine Frau, die mit 100 Kilo Zusatzgewicht eine tiefe Kniebeuge macht, die hat natürlich extreme Muskulatur. Das sind Werte von Männern und die brauchen wir im Sprintbereich“, erklärt Lambertz. Eine Britta Steffen war zwar weniger muskulös als andere, aber im Kraftraum fast unerreicht. „Sie hat über 30 Klimmzüge gelacht. Sie hat Klimmzüge mit Zusatzgewicht von 10 Kilo gemacht. Sie hat eine Stunde lang Liegestütze und Klimmzüge gemacht“, erinnert sich Lambertz.

Was macht die Weltklasse anders?

Sie schindet sich über Stunden im Kraftraum und baut Muskelmasse auf. Selbst erfolgreiche Sprinterinnen stellten in den vergangenen Jahren ihr Training um. „Vor vier Jahren habe ich 57 Kilogramm gewogen, war schmal und verpasste eine Olympia-Medaille. Nun wiege ich 65 und schwimme viel schneller. Ich musste Kraft aufbauen, um mithalten zu können“, berichtete etwa Großbritanniens WM-Dritte Francesca Halsall. Sprinter brauchen auch im Schwimmen Körpermasse. Selbst Großbritanniens Weltmeister Adam Peaty legte vor Olympia noch mehrere Kilo Muskelmasse zu. Auch die deutsche WM-Siebte Alexandra Wenk ist muskulöser geworden - und steigerte mehrfach ihre Bestzeiten.

Was passiert nun?

Athletiktrainer Arthur Jankowski soll an den Stützpunkten mit der Mannschaft trainieren und auch mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet werden. Lambertz zufolge ziehen die Heimtrainer der Freistilschwimmerinnen beim umgestellten Training künftig mit.

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