Mutter der Plastikschüssel

Der berühmteste aller Haushaltsgegenstände seufzt – und feiert Geburtstag. Vor 60 Jahren hat Earl S. Tupper die so genannte "Wunderschüssel" erfunden. Und mit seiner "Tupperware" Millionen von Haushalten auf der Welt revolutioniert.

Der berühmteste aller Haushaltsgegenstände seufzt - und feiert Geburtstag. Vor 60 Jahren hat Earl S. Tupper die so genannte "Wunderschüssel" erfunden. Und mit seiner "Tupperware" Millionen von Haushalten auf der Welt revolutioniert. Denn damit konnten erstmals verderbliche Lebensmittel länger haltbar gemacht werden - dank des wasser- und luftdichten Verschluss-Mechanismus'. Durch leichtes Anheben der Deckellasche entweicht überflüssige Luft: der "Tupper-Seufzer".

Die geprägte Coca-Cola-Flasche, die blaue Niveau-Dose, der Mercedes-Stern und nicht zuletzt die Tupperware-Schüssel: Nur wenigen weltweit bekannten Produkten war so ein Siegeszug vergönnt, dass sie auch nach Jahrzehnten noch Kult sind. Nicht nur, dass viele junge Leute die Frischhalte-Behälter seit ihrer Kindheit aus dem Haushalt ihrer Großmütter kennen. Manch einer hat sogar Schüssel und Dosen geerbt. "Tupper-Produkte sind unverwüstlich. Was Einfachheit, Schlichtheit und Funktionalität sowie ökologische Nachhaltigkeit angeht, ist Tupperware einzigartig", sagt Peter Zec, geschäftsführender Vorstand des Design Zentrums Nordrhein Westfalen und Professor für Wirtschaftskommunikation an der Berliner Fachhochschule für Technik und Wirtschaft. Er hat mehrere Bücher zu Tupperware herausgegeben, Ausstellungen veranstaltet und Designwettbewerbe ausgeschrieben. "Von der Erscheinung her ist Tupperware alles andere als spannend, aber die Produkte halten, was sie versprechen, und stehen damit - auch bei einem übermäßigen Preis - oft konträr zu desolaten Gebrauchsobjekten mit schönem Dekor", sagt Zec.

Dass Tupperware einen Siegeszug durch die Küchen und Haushalte der Welt antreten konnte, war Zufall. Denn als Earl S. Tupper 1944 seine "Tupper Plastic Company" in Florida/USA gründete und die Wunderschüssel aus Polyäthylen in Kaufhäusern und Eisenwarenläden angeboten wurde, blieb sie ein Ladenhüter. Die Vorzüge und Handhabung der Vorratsdosen kannte niemand. Die Amerikanerin Brownie Wise brachte die Lösung. Sie verkaufte bei privaten Treffen Dosen und Schüssel: Die Tupper-Party war geboren. Seit 1951 gibt es die Produkte ausschließlich im Direktvertrieb.

Doch Kaffeekränzchen war gestern, heute sorgen in über 100 Ländern nicht nur DJs für Kauflaune, selbst Männer-Tupperrunden sind angesagt. Mit Erfolg: Weltweit werden über 1,1 Milliarden US-Dollar Umsatz erwirtschaftet, knapp die Hälfte davon in Europa. In Deutschland kennen 90 Prozent der Menschen Tupperware, in mehr als 80 Prozent der Haushalte halten Kuchenhauben und Butterbrotdosen Nahrhaftes frisch oder bewahren Büroklammern oder wie in Japan Kimonos darin auf. Nach Firmenangaben gibt es deutschlandweit alle 20 Sekunden eine Tupper-Party, weltweit alle 2,5 Sekunden. Und das, wo der Gesetzgeber die Sit-Ins zu den "Haustürgeschäften" zählt, wie den Zeitschriften-Verkauf.

Kritik und Anregungen von weltweit über einer Million Beraterinnen gehen an die firmeneigenen Designzentren in Florida oder Belgien, um sie umzusetzen - wie eine Puderzucker-Mühle oder ein Sahne-Garnier-Set. "Flops kann man sich nicht leisten. Die hohe materielle Qualität wird permanent um neue Funktionen ergänzt. Es gibt jedes Jahr Innovationen, die Experten erstaunen lässt", sagt Design-Professor Peter Zec, dessen Zentrum mehrfach Tupperware-Produkte mit der Auszeichnung für allerhöchste Designqualität versehen hat. Deshalb sieht er die Erfindung von Tupper, der 1983 im Alter von 76 Jahren starb, auch nicht als PR-Gag an: "Earl S. Tupper war vor 60 Jahren verdammt revolutionär", sagt der Design-Fachmann. "Das Unternehmen ist daran interessiert, Hilfe im Haushalt anzubieten - auch wenn die Formen manchmal skurrile Auswüchse annehmen." Schließlich habe das Anspruchsdenken keine Grenzen, so dass gerade in der Küche jede Vereinfachung dankbar angenommen werde, sagt Hobbykoch Zec und verweist auf immer wieder neue Variationsmöglichkeiten im Gebrauch. Im Amerikanischen gibt es dafür sogar eine neue Vokabel, den "Adhoc-cisme", das spontane verfremdete Benutzen der Plastik-Behälter.

A propos Vokabel: Nicht nur, dass bei Tupperware Eierbehälter, Tortenhauben und Picknick-Boxen eigene Namen wie "Kolumbus", "Wiener Walzer" und "Naschkätzchen" bekommen, selbst das "Eintuppern" ist zum Synonym fürs haltbare Aufbewahren geworden. 250 verschiedene Produkte gibt es in Deutschland, weltweit 14 Fabriken sorgen für Nachschub. Das Unternehmen gibt eine Garantie von 30 Jahren - und ausgediente Produkte werden mittels eines Rücknahmesystems entsorgt. Ein Engagement, das auch die Umweltorganisation Nabu und die Zeitschrift Öko-Test honorieren. Und ein Einsatz, der sich auf soziale Projekte ausweitet, etwa auf den Trierer Verein Nestwärme. Design-Professor Peter Zec hat den Kultstatus bei einer Vip-Party mit 2000 Tupper-Beraterinnen einmal so formuliert: "Schönheit in Funktion, in Verführung, im Gebrauch und in der Verantwortung."

Sabine Schwadorf

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort