Impfstoffe Astrazeneca-Impfstoff überraschend auch für Ältere zugelassen

Berlin · Die europäische Zulassungsbehörde EMA genehmigt das Vakzin für alle Altersstufen über 18 Jahre. SPD-Politiker fordern nach dem Impfgipfel am Montag einen „nationalen Impfplan“, doch die Bundesregierung dämpft die Erwartungen.

Astrazeneca-Impfstoff überraschend auch für Ältere zugelassen
Foto: dpa/Alastair Grant

Vor dem Impfgipfel von Bund und Ländern mit Vertretern der Pharmaindustrie am Montag hat die Bundesregierung Erwartungen auf schnelle Entscheidungen zur Steigerung der Impfstoffproduktion gedämpft. Beschlüsse würden bei dem Treffen nicht gefasst, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Es diene zunächst der Erörterung der Möglichkeiten, wie die Produktion ausgeweitet werden könne. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) räumte am Freitag Probleme beim Impfstart in Deutschland ein, machte zugleich aber Hoffnung auf baldige Fortschritte. Er verwies auf die Zulassung des Astrazeneca-Impfstoffs sowie weitere absehbare Zulassungen der Vakzine der US-Hersteller Novavax und Johnson & Johnson im zweiten Jahresquartal. „Jeder Impfstoff wird einen Unterschied machen“, sagte Spahn.

Überraschend beschränkte die EU-Arzneimittelagentur EMA am Freitag die Zulassung des Impfstoffs der britisch-schwedischen Firma Astrazeneca nicht auf die Gruppe der unter 65-Jährigen, wie zuvor erwartet worden war. Sie empfahl die Impfung für Menschen aller Altersstufen ab 18 Jahren. Auch wenn nur es nur vergleichsweise wenige Testpersonen über 55 Jahre gegeben habe, sei dies zu vertreten. Der Hersteller hatte zuvor Berichte als falsch zurück gewiesen, dass der Impfstoff bei über 65-Jährigen nur zu acht Prozent wirksam sei.

„Der Start der Impfkampagne war schwierig“, räumte Gesundheitsminister Spahn ein. Inzwischen seien aber mehr als 3,5 Millionen Impfdosen an die Bundesländer gesandt worden, davon wurden 2,2 Millionen verwendet. Beim Ziel, allen Pflegeheimbewohnern bis Mitte Februar ein Angebot zu machen, sei man aber auf gutem Weg. Trotz der Lieferkürzung von Astrazeneca hätte Deutschland im Februar drei Millionen Impfdosen von dem Konzern zu erwarten. Diese seien bei der aktuellen Terminvergabe noch nicht hinterlegt und wären dann von erheblichem Nutzen, sagte Spahn.

Führende SPD-Politker bekräftigten jedoch ihre Kritik an Spahns Impfstrategie. „Die Länder haben pünktlich ihre Impfzentren und mobilen Teams aufgebaut, die weit mehr Menschen impfen könnten, als das im Moment möglich ist“, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). „Wir brauchen bei der Lieferung der Impfstoffe mehr Klarheit und Verlässlichkeit.“ Und man müsse auch darüber reden, wie man in Deutschland mehr Impfstoff zur Verfügung bekomme, so Schwesig. „Es muss unser gemeinsames Ziel sein, insbesondere die Älteren schneller zu impfen.“

Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich griff den CDU-Minister an. „Der wichtigste Weg aus der Krise ist das Impfen. Das muss klappen. Und wenn dabei Fehler gemacht werden, muss man aus ihnen lernen und es künftig gemeinsam besser machen“, sagte Mützenich unserer Redaktion. Zugleich kritisierte der SPD-Politiker, dass der für Montag geplante Impfgipfel von Bund und Ländern zu spät komme.

Auch Malu Dreyer, Regierungschefin in Rheinland-Pfalz, äußerte sich kritisch. „Die Menschen brauchen Klarheit, wann sie geimpft werden können und die Länder brauchen Planungssicherheit durch verlässliche Lieferangaben des Bundes, um Impftermine anbieten zu können. Beides ist aktuell nicht gegeben“, sagte sie unserer Redaktion. Sie erwarte vom Impfgipfel konkrete Ergebnisse. „Wir wollen einen verbindlichen nationalen Impf-Plan der festlegt, wann welcher Impfstoff kommt und wie das Ziel, dass bis zum 21. September alle Bürger und Bürgerinnen ein Impfangebot bekommen, erreicht werden kann“, forderte Dreyer. „Am Ende muss ein verlässlicher nationalen Impf-Plan stehen, damit bis Ende September jeder Impfwilligen sein Impfangebot hat.“

Andreas Gassen, Chef der Kassenärztliche Bundesvereinigung, warnte vor dem Impfgipfel: „Das darf keine Show-Veranstaltung werden. Wir brauchen dringend Klarheit darüber, wie viel Dosen bestellt wurden und was wann verlässlich geliefert wird. Die Impfung ist die zentrale Antwort auf die Pandemie.“ Dabei dürfe Geld keine Rolle spielen: „Ob eine Dosis nun ein paar Euro mehr kostet, darf keine Rolle spielen. Die Folgen der Pandemie kosten allein Deutschland jede Woche Milliarden Euro“, sagte Gassen unserer Redaktion. Zugleich forderte Gassen, jetzt Ärzte und medizinisches Personal vorrangig zu impfen: „Wir fordern, nun prioritär Ärzte und medizinisches Personal in den Krankenhäusern und den Praxen zu impfen. Sie stehen im Kampf gegen die Pandemie in erster Reihe.“

Trotz der Zulassung zeichnet sich jedoch eine Verlängerung des Lockdowns über den 14. Februar hinaus bereits ab. Darüber beraten Bund und Länder voraussichtlich übernächste Woche. Spahn hatte von „zehn harten Wochen“ gesprochen, die bevorstünden und damit eine Verlängerung bis nach Ostern angedeutet. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) sprach sich trotz der Impfprobleme für einen „Perspektivplan“ zur vorsichtigen Lockerung der Corona-Schutzmaßnahmen in den kommenden Wochen aus. „Wir brauchen Geduld, weil wir noch einige Zeit mit vielen Einschränkungen leben müssen. Doch gleichzeitig ist es wenig hilfreich, wenn wir den Menschen jeden Hoffnungsschimmer auf Änderungen nehmen“, sagte Hans. „Wir können nicht ewig im vollen Lockdown verbleiben, das ist eine zu große Belastung besonders für unsere Familien. Deshalb müssen wir uns Gedanken machen, wie es künftig für unsere Kitas, unsere Schulen, für den Sport, den ,kleinen´ Einzelhandel in Innenstädten und die Gastronomie weitergehen soll“, sagte Hans. „Wir brauchen einen Perspektivplan für die kommenden Wochen, der bundesweit einheitliche Kriterien für eine langsame Rückkehr zur Normalität beinhaltet“, forderte Hans.

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