Großes Event, kleiner Sender Jan Böhmermann darf den ESC kommentieren – zumindest im Spartenprogramm
Jan Böhmermann und Olli Schulz haben sich für den Eurovision Song Contest mit dem ORF zusammengetan. Es klingt nach einer großen Kooperation – oder ist es nur der Zusammenschluss der Nebendarsteller?
Am 13. Mai wird es ernst für die Teilnehmer des ESC 2023. Beim Finale werden in Deutschland und vielen anderen Ländern wieder Millionen Menschen am Fernseher verfolgen, welcher musikalische Beitrag den Sieg holt. Mit dabei sind dieses Mal auch Moderator Jan Böhmermann und Songwriter Olli Schulz – wohlgemerkt aber nicht als Teilnehmer auf der Bühne.
Das Duo arbeitet schon seit Jahren zusammen und betreibt einen gemeinsamen Podcast. In dem ließen sie dann auch die Entertainment-Bombe platzen: Für den ORF (Österreichischer Rundfunk) werden sie als Kommentatoren live beim ESC in Liverpool vor Ort sein.
Es klingt fast wie die Bewerbung um die Nachfolge des großen Peter Urban, der nach dem ESC 2023 seinen Hut als Kommentator an den Nagel hängen will. Er hat den ESC schon so lange für Das Erste kommentiert, dass die Veranstaltung ohne seine Stimme kaum mehr denkbar ist. Man kann davon ausgehen, dass Böhmermann wirklich sofort bereitstehen würde, wenn Das Erste diese Aufgabe an ihn herantragen sollte. Schon häufiger zeigte er sich als ESC-Fan. Völlig überraschend kommt der neue Job für den ORF deshalb nicht. Man kann sich lediglich darüber wundern, wo er mit dem ESC im österreichischen Programm untergekommen ist.
Kein großer Fernseh-Job für Jan Böhmermann und Olli Schulz beim ORF
Es mag zunächst so klingen, als ob Böhmermann in Österreich die ganz große Fernsehbühne bekommt. Die Realität sieht wiederum etwas anders aus. Sein Live-Kommentar vom ESC wird in einem der ORF-Radiosender übertragen. Mit radio FM4 handelt es sich um eine kleine Sendeanstalt in der Radiolandschaft der Alpenrepublik.
Innerhalb des ORF ist radio FM4 ein alternativer Jugendkultursender. Die Zielgruppe liegt im Altersbereich von 14 bis 29 Jahren. Wie der ORF im vergangenen Jahr selbst mitteilte, lag der landesweite Marktanteil bei drei Prozent der Hörer. Zum Vergleich: Der hauseigene Marktführer Hitradio Ö3 lag bei 31 Prozent, während die ORF-Regionalradios zusammen auf 31 Prozent kamen. Jan Böhmermann ist beim ESC also wieder dort, wo er sich schon immer wohlgefühlt hat: im Spartenprogramm.
283.000 Österreicherinnen und Österreicher soll das landesweit empfangbare radio FM4 täglich erreichen. Das ist ein eher kleiner Anteil der etwas mehr als 9 Millionen Österreicher.
Was kann man von Böhmermann bei radio FM4 erwarten?
Für das Böhmermann/Schulz-Gastspiel muss das überhaupt nichts Schlechtes bedeuten. Schließlich hat Böhmermann auch im Fernsehen an einem ähnlichen Punkt angefangen und sich zur Kultfigur hochgearbeitet. Ganz abgesehen davon, dass seine Karriere einmal bei Radio Bremen begonnen hat – der kleinsten Landesrundfunkanstalt der ARD. Nun ist er wieder dort, wo das Publikum überschaubar bleibt und es weniger Grenzen gibt als im Hauptprogramm.
2022 hat radio FM4 die früheren Live-Shows zum ESC-Finale wieder aufgenommen. Jahrelang war die Show aus dem Programm verschwunden. „Die gute alte ‚Song Contest, but in a good way‘-Tradition von FM4 wird durch Jan Böhmermann und Olli Schulz heuer auf ein Niveau gehoben, das weder wir noch der Song Contest für möglich gehalten haben“, erklärt der Sender nun aus gegebenem Anlass. Und offenbar ist man beim ORF für alle typischen Böhmermann-Späße zu haben. So zitiert man den Moderator auch mit seiner ganz eigenen Begründung für die ESC-Kooperation: „Wir treten nicht nur an, um Österreich zu fördern und zu featuren, sondern auch, um alle anderen Länder Europas standesgemäß zu demütigen, allen voran Deutschland.“
Man weiß nicht so recht, für wen diese Kooperation ein größeres Ding ist. Vielleicht für den ESC-begeisterten Böhmermann? Dass er das Event jemals im deutschen Hauptprogramm kommentieren darf, ist schließlich unwahrscheinlich. Zu sehr hat er dafür in seinen Sendungen bereits das Publikum polarisiert. Oder ist es doch ein wichtigerer Termin für radio FM4? Dort sieht man ganz offensichtlich eine Chance, die eigene ESC-Tradition wiederzubeleben. Zudem ist eine große Werbung für das eigene Programm, sogar im deutschsprachigen Ausland, so gut wie garantiert. Es sieht so aus, als hätte in diesem Fall jeder gewonnen.
Kann man den ESC mit Böhmermann auch in Deutschland hören?
Auch die Böhmermann-Fans außerhalb Österreichs müssen wohl nicht auf das ESC-Highlight im Radio verzichten. Der FM4-Web-Player streamt das Live-Programm auch in Deutschland. Er ist über die Website des Senders abrufbar. Außerdem gibt es eine App für iOS und Android, mit der die Zuhörer das Programm streamen können.