Außergewöhnliches Wort zum Sonntag Großer Auftritt für Trierer Fernsehpfarrer: Das erwartet die ESC-Zuschauer am Samstag

Interview | Trier · Der Trierer Domkapitular Benedikt Welter spricht kurz vor dem ESC am Samstag das „Wort zum Sonntag“ in der ARD. Persönlich ist er großer Fan von Metallica. Warum er deren Musik keineswegs für Teufelszeug hält und ob er für Deutschlands Erfolg beim ESC betet.

 Schrill und zugleich düster sind die Outfits des deutschen ESC-Teilnehmers „Lord of the Lost“. Die Band von Sänger Chris Harms besteht seit 2007. In seinem „Wort zum Sonntag“ wird der Trierer Domkapitular auch auf den Bezug des Bandnamens zur katholischen Kirche eingehen.

Schrill und zugleich düster sind die Outfits des deutschen ESC-Teilnehmers „Lord of the Lost“. Die Band von Sänger Chris Harms besteht seit 2007. In seinem „Wort zum Sonntag“ wird der Trierer Domkapitular auch auf den Bezug des Bandnamens zur katholischen Kirche eingehen.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Der „Eurovision Song Contest“ gilt als größte Fernseh-Musik-Show weltweit. Nicht nur, dass verschiedene Länder sich musikalisch messen und dabei immer mehr Glamour, Show und Performance bieten, das Millionen-Publikum macht das Bildschirm-Event zu einer schrillen Party vor Ort, in Kneipen und Wohnzimmern.

Ein Element am samstäglichen Fernsehabend darf dennoch nicht fehlen: „Das Wort zum Sonntag“, eine der quotenstärksten kirchlichen Sendungen in Deutschland seit nunmehr fast 70 Jahren. Es wird am Samstag gleich vor der Live-Übertragung des ESC ausgestrahlt. Zu dem Team aus vier evangelischen und vier katholischen Geistlichen gehört auch der Trierer Domkapitular und Vorsitzende des Diözesancaritasverbandes, Benedikt Welter. Er wird an diesem Samstag kurz vor der Live-Schalte ins englische Liverpool das „Wort zum Sonntag“ sprechen und damit vor Millionen deutschen Zuschauern.

Wir haben mit Benedikt Welter im Vorfeld des ESC darüber gesprochen, was er von Heavy Metal hält, welche Chancen er dem deutschen Beitrag der Band „Lord of the Lost“ bei dem Musikwettbewerb einräumt und was das alles mit der Kirche zu tun hat.

Herr Welter, Sie sprechen am Samstag kurz vor der Übertragung des ESC das Wort zum Sonntag in der ARD. Ist das eine dankbare oder undankbare Aufgabe zu diesem Zeitpunkt?

BENEDIKT WELTER Beides. Es ist einerseits DAS Wort zum Sonntag mit den höchsten Einschaltquoten, wenn von der Reeperbahn gleich nach Liverpool umgeschaltet wird. Da haben wir dann schon mal zwei bis drei Millionen Zuschauer. Das erhöht natürlich den Druck und die Aufregung. Dann kommt auch hinzu, dass wir die Vereinbarung haben, das Wort zum Sonntag nicht in der Studioroutine aufzunehmen, sondern dass ein Außendreh stattfindet. Das ist auch noch mal herausfordernder für Kameramann, Beleuchtung und Studiotechnik. Wir werden dazu in einem Saarbrücker Musikalienladen zwischen Schlagzeug und Gitarren drehen, und ich werde dazu auch vor meiner Ansage ein bisschen musikalisch auf die Pauke hauen. Das ist aber auch eine positive Herausforderung für mich, weil ich in einem solchen Setting das ESC-Klima noch mal atmosphärisch mit aufzunehmen versuche. Deshalb ist das auch für mich eine Nummer.

Sie haben an diesem Abend ein ungewohnt zahlreiches, junges und schrilles Publikum vor dem Bildschirm. Wie werden Sie das aufgreifen, was wollen Sie mit Ihren Worten bezwecken?

WELTER Also ich werde mich nicht anders anziehen als sonst beim „Wort zum Sonntag“ oder mir die Haare rot färben lassen und auch kein Glitter in die Haare geben. Insofern komme ich schon etwas spröde als Kirchenmann daher – was in diesen Zeiten ja auch schon ein Wagnis ist. Und dann versuche ich über eine gute Geschichte, die auch anrührend sein kann, die Menschen anzusprechen. Es ist klar, dass die Band, die für Deutschland ins Rennen geschickt wird, erwähnt wird. Ich möchte schon organisch in dieses ESC-Klima eintauchen, sodass man schon merkt, ich weiß, was der ESC ist, und dass ich „Lord of the Lost“ kenne. Es wäre schön, die Leute davon abzuhalten, die Zeit nicht als verlängerte Pinkelpause zu nutzen.

Nun geht mit „Lord of the Lost“ gerade eine sogenannte Dark-Rock-Band mit Anlehnung an den Heavy Metal an den Start. Was sagt Ihnen Heavy Metal? Haben Sie eine Lieblingsband?

WELTER Ich bin tatsächlich leidenschaftlicher Fan von Metallica. Und das schon ganz lange. Meinem Alter gemäß bin ich mit denen alt geworden. Mit Heavy Metal kann ich durchaus was anfangen. Das ist eine Musiksprache, die mich anspricht.

Heavy Metal und Dark Rock wird von Kritikern und Verschwörern gern mal als Teufelszeug gebrandmarkt. Was können Sie dem Musikstil abgewinnen?

WELTER Wenn ich mal bei Metallica bleibe, dann ist das durchaus eine hohe Artifizialität, gerade was das Bedienen der Gitarren angeht. Das ist ja Hochleistungssport. Und dann auch in der Kombination durch die mit der Hand gemachten Beats des Schlagzeugs. Das ist ja kein Computer, das muss alles mit der Hand gemacht werden. Und dann setzen die das in Verbindung mit gesellschaftlich reflektierenden Themen. Das ist jetzt nicht nur der seichte Herz-Schmerz, da werden auch gesellschaftliche Themen aufgegriffen, manchmal auch abgewandelt. Das ist schon eine ausdrucksstarke Geschichte. Eine gute Heavy-Metal-Band hat immer auch was zu erzählen.

Nun sollten die Kirche und Jesus Christus in persona eigentlich auch als „Lord of the Lost“, also als „Herr der Verlorenen“ fungieren. Inwieweit tut die Kirche das noch? Inwieweit ist die Kirche Lost, also verloren?

WELTER Verloren sind wir alle, aber in erster Linie sind wie Wiedergefundene. Aber jetzt haben Sie schon fast meinen Plot verraten. Wenn man „Lord of Lost“ für ein Wort zum Sonntag nicht nutzt, ist das wie im Fußball ein Stürmer vor dem leeren Tor, der nicht trifft. Also aus dem Bandnamen muss man was machen. Dazu erzähle ich auch eine Geschichte aus Hamburg, wo die Band ja herkommt und die ich so dort erlebt habe. Ich bin ja primär in der Caritas unterwegs, und es gibt viele, viele Menschen, die auf der Seite der Verlorenen unterwegs sind. Und zwar nicht im almosengeberischen Sinn, sondern um Strukturen der Gesellschaft zu verbessern, damit sich Menschen in ihrer Würde wieder finden. Da passiert viel, aber da wird eben auch die Kamera nicht jeden Tag draufgehalten. Das ist für mich aber unterm Strich die Mehrheit der Menschen und das will ich betonen.

Werfen Sie insofern symbolisch und in Anlehnung an den ESC-Titel der deutsche Band „Lord of the Lost“ ein bisschen Glitter über diese Akteure an der Basis?

WELTER Ja, ja, durchaus. Was wäre eine sehr schöne Interpretation. Der Titel „Blood und Glitter“ kommt natürlich auch in meiner kleinen Ansprache vor. Und am Ende mache ich der Band sogar einen Vorschlag für einen neuen Song.

Jetzt machen Sie uns neugierig! Schauen Sie sich denn selbst auch den ESC an?

WELTER Dieses Jahr tatsächlich. Ich habe ja das Management der Band im Vorfeld zumindest informiert, dass ich sie zum Thema mache. Wir haben auch versucht, von Seiten des saarländischen Rundfunks und dem Rundfunkbeauftragten, einen Videocall hinzubekommen, aber das ist aufgrund der engen Taktung in Liverpool nicht gelungen. Es hätte mich ja gefreut, wenn wir uns mal gesehen hätten.

Deutschland hat ja in den vergangenen Jahren beim ESC nicht besonders gut abgeschlossen. Könnten Sie nicht mit dem entscheidenden Draht nach oben in diesem Jahr für eine bessere Platzierung sorgen und die Band mit in Ihr Gebet aufnehmen?

WELTER Da bin ich mir nicht so ganz sicher, ob die Heilige Cäcilia, die bei uns ja für die Musik zuständig ist, ob die das als Eingriff in ihr Territorium betrachtet. Das ist der Freiheit der Heiligen überlassen. Aber mein Beten tut eines auf jeden Fall nie – schaden. Das mit dem Nutzen ist ja abhängig vom Absender und unterschiedlich, wie der bemessen wird.

Wenn jemand jetzt zweifelt, ob er sich das „Wort zum Sonntag“ anschauen soll oder nicht: Weshalb sollte derjenige nicht zwischendrin zur Toilette gehen?

WELTER Das „Wort zum Sonntag“ beim ESC ist noch mal die optimale Gelegenheit, sich religiös geschmeidig umspielen zu lassen, um anschließend eine gute Party rocken zu können.

DIE FRAGEN STELLTE SABINE SCHWADORF.

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