Alles nur gekauft? Was Deutschland für den sicheren Startplatz beim ESC bezahlt – und was man davon halten soll

Meinung | Trier · Wieder einmal steht Deutschland im Finale des Eurovision Song Contest, weil von hier aus mit am meisten Geld in den Wettbewerb fließt. Unser Autor hat eine klare Meinung zur finanziellen Seite der Show.

Könnte das ganze Event wohl alleine aus der Portokasse bezahlen: König Charles III. in den Studios für den ESC 2023.

Könnte das ganze Event wohl alleine aus der Portokasse bezahlen: König Charles III. in den Studios für den ESC 2023.

Foto: dpa/Phil Noble

Für die deutschen Fans ist es inzwischen ein ewiges Leid mit dem ESC. Erinnern Sie sich noch, wo im vergangenen Jahr der deutsche Beitrag gelandet ist? Es war Platz 25. Wissen Sie auch noch, wer ein Jahr vorher aus Deutschland zum ESC geschickt wurde? Nein? Macht nix! Die Platzierung kann man sich nämlich trotzdem ganz leicht merken, denn es war ebenfalls Platz 25.

Sie merken vielleicht schon, es zeichnet sich ein Muster ab. Und so überrascht auch nicht der Platz, der 2019 herausgesprungen ist (2020 gab es wegen Corona keinen Wettbewerb). Es war genauso der 25. Platz wie zuvor im Jahr 2017. Dazwischen kam einmal Michael Schulte um die Ecke und haute Platz 4 raus. Ein wilder Ausreißer nach oben im Tal der Tränen. Wenn wir dann wieder auf die Jahre zuvor blicken, stellen wir fest, dass auch mal mindestens 26 oder 27 Starter im Finale dabei waren. Sonst hätte Deutschland beim ESC schließlich nicht diese Platzierungen einfahren können.

Deutsche ESC-Erfolge waren zuletzt Mangelware

Es ist lange her, dass Lena die europäische Bühne im Sturm erobert hat und den Sieg nach Deutschland holen konnte. Im Jahr 2010 war das. Wie der ganze Hype damals passieren konnte, bleibt schwer zu erklären. Schließlich war ihr Song „Satellite“ ein – gestatten Sie mir bitte diese ganz persönliche Diffamierung eines ESC-Klassiker – belangloses Stück Party-Pop, vorgetragen mit einer Stimme, die zu sagen schien: Ich habe nicht geübt und Mühe geben will ich mir beim Singen auch nicht. Funktioniert hat der Song trotzdem. Er hat halt den Zeitgeist getroffen.

Mit dem Zeitgeist hatte sich Deutschland schon in den Jahren vor Lena schwer getan. Immer wieder endeten die Bemühungen beim ESC mit einem neuen Flopp. Selbst die No Angels, die einmal der größte Musik-Acts der Nation waren, stürzten in die niedrigsten Ränge der Wertung. Ganz sicher ein Trauerspiel für alle, denen der Erfolg beim Wettbewerb wirklich am Herzen liegt.

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Eurovision Song Contest 1998: Als Guildo Horn zum Star wurde

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Foto: picture-alliance / dpa/Werner Baum/dpa/picture-alliance/

Viele Zuschauer, viel Geld - und trotzdem keine Punkte für Deutschland?

Bei dem ganzen Misserfolg fällt auch seit Jahren ins Auge, dass die deutschen Songs zwar konsequent durchfallen, aber immer im Finale dabei sind. Jeder ESC-Fan weiß natürlich, dass es ein paar Länder gibt, die einfach grundsätzlich für den Wettbewerb gesetzt sind. Die „Big Five“ aus Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien. Tatsächlich handelt es sich dabei um Länder, die einen großen finanziellen Beitrag zum ESC-Event beitragen (siehe Info). Es sind aber eben auch Länder, aus denen sehr viele potenzielle Zuschauer kommen – und das dürfte wichtiger sein als ein paar Euro mehr oder weniger. Man stelle sich nur vor, was mit den Einschaltquoten geschehen könnte, wenn die größten Nationen im Halbfinale ausscheiden. Nicht auszudenken!

Unschön wird es, wenn dann der Vorwurf rausgekramt wird: Die anderen Länder schieben sich schön die Punkte zu, während manche Nationen, die alles bezahlen, leer ausgehen. So einfach ist die Sache nämlich nicht, und da sollte man bei allem Frust auch ehrlich bleiben.

Wie viel zahlt Deutschland für den ESC?

Was aus dem Topf der deutschen Rundfunkbeiträge in den ESC fließt, ist eine äußerst überschaubare Summe. Zwischen 2015 und 2021 lag der Höchstbetrag eines Jahres bei 405.100 Euro. So informiert die Seite eurovision.de, die der Norddeutsche Rundfunk (NDR) als zuständige ARD-Sendeanstalt für den ESC betreibt. Das wirkt vielleicht, als wäre es viel. Besonders dann, wenn die kleinsten Länder Europas teils deutlich weniger als 100.000 Euro beisteuern. Für ein großes TV-Event ist es aber – und das muss ich als Medienmensch so ungeschönt in den Raum stellen – ein wirkliches Schnäppchen.

Ich bin kein Freund des ESC, habe die Begeisterung nie verstanden. Aber das Gefühl, meine Rundfunkbeiträge würden zum Fenster rausgeworfen, will sich bei mir nicht einstellen. Wir sprechen über stundenlanges Live-Programm an drei Abenden. Zwei Halbfinale und ein Finale bekommt die ARD mit minimalem Aufwand ins Programm gespült. Und das alles gibt es für weniger als eine halbe Million Euro.

Na gut, wir haben bisher bloß den Preis für die Übertragungsrechte betrachtet. Ein bisschen Geld wird der NDR nebenbei noch in die Hand nehmen müssen. Wer ein paar Zahlen zum Vergleich kennt, wird aber auch dadurch nicht mehr unruhig.

Überhaupt nicht teuer im Vergleich zum sonstigen ARD-Programm

Inzwischen weiß man, dass eine neue Folge Tatort oder Polizeiruf 110 rund 1,6 Millionen Euro kostet. 43 bis 48 neue Produktionen gibt es davon pro Jahr, erklärt die ARD. Ein neuer Spielfilm am Samstag, von denen es rund zehn pro Jahr gibt, kostet rund 1,9 Millionen Euro. So geht es mit dem Abendprogramm quer durch die Woche weiter. Das alles lässt sich recht einfach durchrechnen mit Informationen, die die ARD selbst veröffentlicht. Die Vorabendserien sind in der Produktion deutlich günstiger, bekommen dafür aber auch eine große Zahl neuer Folgen pro Jahr.

Man merkt, dass ein paar Hunderttausend Euro bei einem internationalen Show-Event nicht viel sind. Der ESC wirkt beinahe wie eine sparsame Möglichkeit, das Programm mit neuen Inhalten zu füllen. Die Geschichte von Deutschland als „Zahlmeister“ des ESC, der nichts im Gegenzug bekommt, gehört ins Reich der Märchen.

Dass einige deutsche ESC-Beiträge zuletzt ganz große Grütze waren, lässt sich hingegen schwer wegdiskutieren. Deshalb wirkt es eigentlich ganz plausibel, dass wir jährlich ein bisschen Schmerzensgeld an die Zuschauer in anderen Ländern zahlen, oder?

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