Kommentar ESC 2022: Wie die Fans einer Band die ARD vorgeführt haben – und warum der Sender so hilflos agiert

Die Band Eskimo Callboy darf nicht beim deutschen Vorentscheid für den ESC 2022 antreten. So groß das Wehklagen im Internet auch ist, die Entscheidung ist logisch. Ein Kommentar.

ESC-Vorentscheid 2022: ARD agierte hilflos im Eskimo-Callboy-Eklat
Foto: dpa/Jörg Carstensen

Es lief nicht gut für Deutschland beim letzten ESC. Wie hieß noch gleich dieser Song, der völlig gefloppt ist? Daran muss man sich nicht erinnern. Es soll einfach nur besser werden dieses Mal. Für den deutschen Vorentscheid zum ESC 2022 gab es deshalb ein neues Konzept. Es dürfen sechs Musikacts teilnehmen, die zuvor von einer Jury ausgewählt wurden. Bewerben durften sich nur Künstler, die bereits ihren eigenen, fertigen Song mitbringen. Musikexperten aus dem ARD-Hörfunk haben anschließend die Auswahl für den Vorentscheid getroffen.

Auch die Metal-Band Eskimo Callboy schickte eine Bewerbung ein. Die Bewerbung wurde von der Jury abgelehnt. Eine Überraschung war das nicht. Auch die Begründung war erwartbar: Die Musik der Band ist nicht radiotauglich genug.

Damit wollten sich Fans von Eskimo Callboy nicht zufrieden geben. Sie forderten in den sozialen Medien lautstark dazu auf, die Band nachträglich für den ESC-Vorentscheid in Deutschland zuzulassen. Eine Online-Petition wurde bis zum Tag vor dem Vorentscheid mehr als 127.000 Mal unterzeichnet. In der Petition heißt es: „Lange genug wurden beim ESC 0 Punkte abgeholt und nicht daraus gelernt, dass Mainstream-Musik und Pop-Songs in der Einheit der Masse untergehen.“ Die klare Forderung lautete, es müsse mehr Vielfalt im Wettbewerb geben.

Die ESC-Verantwortlichen reagierten auf die denkbar schlechteste Art. Sie drohten damit, unter ihren Social-Media-Beiträgen Kommentare zu löschen, wenn sie sich ausschließlich um Eskimo Callboy drehen.

Das offensichtlichste Problem mit Eskimo Callboy und dem ESC 2022

Zu der Forderung der Fans kann man stehen wie man will. Was man generell respektieren sollte, ist aber das Konzept hinter dem Eurovision Song Contest. Der ESC 2022 soll ganz offensichtlich eine weitgehend gemütliche Veranstaltung für alle Altersklasse bleiben. Ein Abend ohne Ecken und Kanten. Das kann man aus gutem Grund langweilig finden - muss man aber nicht.

Eskimo Callboy sind eine sympathische Truppe. Bei ihnen hat alles ein Augenzwinkern. Trotzdem bewegen sie sich abseits der Musik, die man im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zur Prime Time erwarten kann. Sie hätten diese verrückte Außenseiterchance, sich den ESC-Titel zu holen. Aber sie würden den ESC gerade deshalb gewinnen, weil sie dort nicht hingehören. Kein Wunder, dass sie von vorn herein raus sind.

ARD tat sich schwer mit den Reaktionen auf ihre ESC-Entscheidung

Die ARD tat sich schwer, auf die Forderungen eine angemessene Antwort zu geben. Sie sagte nicht, was eigentlich klar in der Luft lag: Wenn ihr es nicht radiotauglich mögt, gehört ihr nicht zur Zielgruppe der Show. Schaltet nicht ein! Aber wie könnte die ARD das sagen, wenn vermutlich ein Großteil der aufgebrachten Menge das Programm zwangsweise mit Gebührengeldern finanziert?

Es geht beim diesem ESC-Aufreger nicht einmal um Eskimo Callboy. Es geht um das ewige Dilemma des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der ein Programm für alle machen soll, diese Aufgabe aber niemals bewältigen kann.

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