Nach dem Skandal GNTM 2023: Warum ProSieben inzwischen Angst vor den eigenen Models haben muss

Analyse · Im vergangenen Jahr wurde Germany’s next Topmodel vom größten Skandal in der Geschichte der Sendung erschüttert. Was ein Gericht daraufhin entschieden hat, kann für den Sender zu wachsenden Problemen führen.

Auch Heidi Klum kam bei den Beschwerden einiger Kandidatinnen nicht gut weg.

Auch Heidi Klum kam bei den Beschwerden einiger Kandidatinnen nicht gut weg.

Foto: ProSieben/Richard Hübner

Wenn eine neue Staffel GNTM beginnt, weiß niemand, was die Teilnehmerinnen dieses Mal erwartet. Die Fans wissen vorab nur eines ganz genau: ProSieben wird sich etwas einfallen lassen, was es so noch nie in der Sendung gegeben hat.

Seit letztem Jahr hat diese Unwissenheit aber noch eine andere Seite. Denn es wurde so deutlich wie nie zuvor, dass die Zuschauer wirklich keine Ahnung haben, welche Abgründe sich bei den Dreharbeiten auftun.

GNTM 2023 startet nach gewaltigem Skandal

Die Aussagen einer früheren Teilnehmerin sorgten 2022 für Aufsehen. Vieles spiele sich nicht so ab, wie es die Zuschauer im Fernsehen präsentiert bekommen. Vielmehr sei die Sendung hinter den Kulissen komplett manipuliert. Die Protagonistinnen werden während der Dreharbeiten massiv unter Druck gesetzt, dürfen nicht das Haus verlassen und dürfen keinen Kontakt zu Familie und Freunden haben, schilderte Lijana Kaggwa. Sie war 2020 bei der Show dabei und erklärt in ihrem Enthüllungsvideo auf YouTube: „Die Produktionsfirma will vor allem eine Emotion bei euch hervorrufen – und das ist Hass.“ Es sei die „redaktionelle Entscheidung“ gefallen, sie als die Zicke der Staffel zu inszenieren.

Die Vorwürfe waren detailliert und umfangreich. Aber eigentlich hätte Kaggwa vieles davon überhaupt nicht erzählen dürfen, wenn es nach den Verträgen für die Show ging. Das sahen die Macher der Sendung zumindest so. Deshalb landete der Streitfall schon 2022 vor Gericht. Einige Aussagen darf Kaggwa tatsächlich nicht mehr wiederholen. Prosieben und die hauseigene Produktionsfirma konnten sich mit ihren Forderungen teils durchsetzen. In einem sehr wichtigen Punkt wurden aber die Rechte der Kandidatinnen gestärkt.

Model packt aus und landet vor Gericht

Im Fachmagazin dwdl.de erklärte Kaggwas Anwalt Simon Bergmann damals, worum es aus juristischer Sicht geht. „Im konkreten Fall musste meine Mandantin drei Verträge unterzeichnen und in allen findet sich eine gleichlautende Geheimhaltungsklausel, die es ihr untersagt, jemals über irgendwas im Zusammenhang mit den Produktionsbedingungen zu reden“, erklärt er. „Das ist eine sogenannte ‚Catch-All-Klausel‘, quasi ein lebenslanger Maulkorb.“

Der Jurist führt weiter aus, dass seine Mandantin eine Klage in Kauf genommen hat, da sie aufgrund der manipulativen Darstellung im Fernsehen unter starkem Cybermobbing leiden muss. Somit landete der sprichwörtliche GNTM-Maulkorb letztlich vor Gericht. „Die Gegenseite hatte wohl schon geahnt, dass die Klausel rechtlich problematisch sein kann und sich deshalb nur hilfsweise darauf berufen“, führt der Anwalt aus. „Der Hinweis des Gerichts veranlasste sie dann dazu, diesen Aspekt fallen zu lassen. Mutmaßlich wollte man ein Präzedenzurteil vermeiden, in dem das Gericht schriftlich begründet, warum eine solche umfassende Schweigepflicht unwirksam ist.“

Sechs Tatsachenbehauptungen über Germany’s next Topmodel muss Kaggwa seitdem unterlassen. Sieben weitere wurden vom Gericht hingegen nicht beanstandet. Laut Anwalt Bergmann bedeutet das auch: „Sie darf weiterhin sagen: Wir wurden manipuliert, uns wurden Handlungsstränge vorgeschrieben.“ Er geht davon aus, dass der Sender und die Produktionsfirmen die Verträge für die Zukunft überarbeiten werden.

GNTM 2023 startet bald mit neuen Kandidatinnen

Inzwischen zeigt sich, dass Ex-Kandidatinnen die neu gewonnene Freiheit nutzen. Gerade erst hat das frühere GNTM-Model Tessa Bergmeier im Dschungelcamp über ihre Erfahrungen ausgepackt. Sie beklagt ebenfalls, wie manipuliert die Sendung ist. Sie habe nicht geahnt, in was für einem negativen Licht man sie darstellen wollte. Die GNTM-Chefin Heidi Klum habe sie als eiskalt und empathielos erlebt. Zuvor hatten sich bereits andere Models sehr negativ über die Dreharbeiten geäußert.

Die Angst vor dem Knebelvertrag ist wohl gebrochen. Gegen wahre Tatsachenbehauptungen können Sender und Produzenten nur schwer vorgehen. Für ProSieben bedeutet das, es könnte jederzeit ein neuer Skandal über die heile Welt von GNTM hereinbrechen. Am 16. Februar 2023 geht es wieder los mit einer neuen Staffel. Bis mindesten Anfang Juni dürfte es dann keine unbequemen Aussagen mehr geben, damit die schöne Inszenierung keine weiteren Kratzer bekommt.

Außerdem sollten die neuen Teilnehmerinnen besser keinen guten Grund finden, sich über die Bedingungen bei GNTM 2023 zu beschweren. Sonst könnte die Zukunft für die extrem erfolgreiche Sendung auf ProSieben düster aussehen.

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