Wohnen Das Land streitet: Sollen Anlieger noch für Straßenausbau zahlen?
Trier/Mainz · Bürger klagen über teure Bescheide. Geht es nach CDU und AfD, soll das Land die Gebühren zahlen, die bundesweit wackeln.
Die Abgeordneten der AfD-Fraktion klatschten Jens Ahnemüller munter Beifall, als der Konzer im August forderte, Straßenausbaubeiträge in Rheinland-Pfalz abzuschaffen. Manches hat sich in den Wochen verändert, die seitdem verstrichen sind: Ahnemüller ist inzwischen fraktionslos und liegt mit seiner Partei im Clinch, die ihm Kontakte zur NPD vorwirft, was der Konzer bestreitet. Geblieben ist die Frage, was mit den Ausbaubeiträgen passieren soll, die Kommunen im Land von Anliegern verlangen können, wenn sie kaputte Straßen sanieren. Auch in der Region Trier ärgert sich mancher Hausbesitzer, wenn er plötzlich ein erkleckliches Sümmchen berappen muss. Die CDU-Fraktion legt nun nach und fordert die rot-gelb-grüne Landesregierung auf, mit dem Doppelhaushalt 2019/20 Beiträge abzuschaffen und Kommunen aus der Landeskasse zu entschädigen.
Bei den Ampelparteien sorgt das für Belustigung, da der CDU-Landtagsabgeordnete Christof Reichert noch vor Wochen im Mainzer Parlament sagte, die Abschaffung zu fordern, sei „reiner Populismus“.Selbst in den eigenen Reihen runzelte schon da mancher Abgeordneter die Stirn. Gordon Schnieder, CDU-Abgeordneter aus der Vulkaneifel, hält es nun für gerecht, Bürgern angesichts von zu erwartenden Millionenüberschüssen im Haushalt etwas zurückzugeben. „Der Ärger ist groß, wenn Anlieger plötzlich mehrere Hundert oder Tausend Euro bezahlen müssen. Für Rentner und junge Familien ist das Geld nicht leicht aufzutreiben“, sagt der Birresborner, der ebenso Verwaltungen und Gerichte belastet sieht, da viele Anlieger gegen Bescheide klagten. Die AfD-Fraktion hat einen Gesetzesentwurf in den Landtag eingebracht, in dem sie ein Aus der Beiträge zum 1. April 2019 fordert.
In immer mehr Bundesländern fallen die umstrittenen Gebühren bereits wie Dominosteine. Wie in Bayern. Auch die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen hat frisch beschlossen, die Beiträge zu kippen. Ralf Schönfeld, Verbandsdirektor von Haus und Grund in Rheinland-Pfalz lästert: „Wer hätte gedacht, dass die Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz ausgerechnet vom thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow noch lernen kann, wie man Bürger effektiv entlastet?“
Der Eigentümerverband und der Steuerzahlerbund hatten im Sommer landesweit zuerst gefordert, die Gebühren fallen zu lassen. Beide Verbände berichten von Fällen, in denen von fünfstelligen Beiträgen gebeutelte Anlieger teure Kredite aufnehmen oder ihre Immobilie verkaufen mussten. Das Land solle künftig lieber 50 Millionen Euro pro Jahr an die Kommunen zahlen, schlagen sie vor. Aus CDU-Kreisen heißt es wiederum, die Kosten könnten sich eher zwischen der Forderung der Verbände und den 100 Millionen Euro bewegen, die Bayern künftig in seinem Landeshaushalt bereitstellt.
Und was sagen die Regierungsparteien in Rheinland-Pfalz? Sie betonen die Beiträge als kommunale Entscheidung. Benedikt Oster (SPD) verteidigt Gebühren, weil die Nutznießer des Straßenbaus in der Regel die umliegenden Anlieger seien. Jutta Blatzheim-Roegler (Grüne) aus Bernkastel-Kues fordert die CDU auf, eigene Kürzungen im Haushalt vorzuschlagen, wenn sie die Abschaffung der Beiträge fordere. Marco Weber (FDP) wundert sich über den Sinneswandel der CDU. Der Vulkaneifeler kündigt aber an, dass sich seine Fraktion mit den Vor- und Nachteilen der Gebühren befassen wolle. Auffällig bei den Antworten an den TV: Änderungsbedarf sehen die Ampelparteien nicht – schränken den Hinweis aber mit Wörtern wie „derzeit“ und „aufweiteres“ ein.
Der rheinland-pfälzische Städte- und Gemeindebund warnt davor, „im Hauruck-Verfahren eine bewährte und über Jahre praktizierte Finanzierungsstruktur abzuschaffen“. Viele Straßen im Land seien kaputt, weil Kommunen das nötige Geld fehle. Der Verband will ein dauerhaftes, nachhaltiges Konzept sehen.