Kriminalität Der lange Arm der Mafia

Rom · Die Festnahmen von elf Verdächtigen zeigen, wie weit der Einfluss der organisierten Kriminalität auch nach Deutschland reicht.

 Carabinieri im Einsatz gegen Mitglieder der ´Ndrangheta. In Italien und Deutschland nahmen sie insgesamt 160 Verdächtige fest.

Carabinieri im Einsatz gegen Mitglieder der ´Ndrangheta. In Italien und Deutschland nahmen sie insgesamt 160 Verdächtige fest.

Foto: dpa

(dpa) Italienischen Ermittlern ist ein Schlag gegen die mächtige Mafia-Organisation ´Ndrangheta gelungen. Der Arm der kriminellen Gruppierung reicht bis nach Deutschland – in mehreren Bundesländern wurden insgesamt elf Verdächtige gefasst.

Welchen Einfluss hat die Mafia in Deutschland?

Dem Bundeskriminalamt zufolge ist Deutschland für Mitglieder der Mafia vor allem ein Flucht- und Rückzugsort. Aktiv führe sie dort Geschäfte und Investitionen durch, insbesondere in der Immobilien- und Gastronomiebranche. Morde wie 2007 in Duisburg, als sechs Mafiosi vor einem Restaurant erschossen wurden, gelten als Ausnahme. Die Organisationen agieren in Deutschland eher im Hintergrund.

Macht sie das ungefährlicher?

Nein, sagt die italienische Politikerin Laura Garavini. Die Abgeordnete der sozialdemokratischen Partei PD sitzt in der Anti-Mafia-Kommission des Parlaments, ihrer Einschätzung nach lautet das Konzept der Kriminellen: „Je unauffälliger, desto erfolgreicher.“ Lange sei auch in Norditalien die Mafia unterschätzt worden, weil die mächtigen Mafia-Organisationen im Süden beheimatet sind – die Cosa Nostra auf Sizilien, die Camorra in Neapel, die ´Ndrangheta in Kalabrien. Das Ergebnis sei gewesen, dass sich die Mafia in die Wirtschaft und in staatliche Institutionen eingeschlichen habe.

Welche italienische Mafia-Organisation ist in Deutschland am bedeutendsten?

Die ´Ndrangheta, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag von August 2017 hervorgeht. Ein Clan dieser  Mafia steht auch im Fokus der Ermittlungen, die am Dienstag zu den Festnahmen in Deutschland und Italien geführt haben. Insgesamt gelten der Bundesregierung zufolge mehr als 560 Personen in Deutschland als mutmaßliche Mitglieder von Mafia-Organisationen.

Wovon hat die Mafia in Deutschland profitiert?

Anders als in Italien gibt es in Deutschland keine strengen Anti-Mafia-Gesetze. Dort ist schon die Mitgliedschaft in einer mafiösen Organisation eine Straftat – in Deutschland nicht. Experten werten es als Erfolg, dass kürzlich immerhin das deutsche Recht der Vermögensabschöpfung reformiert wurde. Dass kriminell erwirtschaftetes Vermögen aus Mafia-Besitz in der Vergangenheit nicht einfach eingezogen werden konnte, haben sich die Organisationen zunutze gemacht.

Ist die Mafia noch so blutrünstig wie früher?

Ein Anschlag wie der 2007 in Duisburg ist in Deutschland ohnehin eine Ausnahme gewesen. Heute tötet die Mafia aber auch in Italien kaum noch, auch wenn es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Clans kommt, bei denen auch Unbeteiligte zwischen die Fronten geraten.

Womit verdient die Mafia das meiste Geld?

Das große Geschäft macht die ´Ndrangheta mit dem Kokainhandel, den sie laut Europol in Europa dominiert. Millionengewinne macht sie aber auch mit Bauprojekten, Versicherungsfällen und Müllentsorgung. Den am Dienstag in Deutschland Festgenommenen wird unter anderem Geldwäsche und Erpressung vorgeworfen. Die Ermittlungen hätten aber auch ergeben, dass von „operativen Zellen“ in Frankfurt, Wiesbaden, München und Stuttgart aus im Handel von Lebensmitteln mitgemischt wurde. Mit mafiösen Methoden seien kalabrische Restaurants dazu gebracht worden, Weine lediglich von Unternehmen anzukaufen, die die ´Ndrangheta kontrolliert.

 Organisierte_Kriminalitaet

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Foto: TV/Lambrecht, Jana

Hat sich der Umgang der deutschen Ermittler mit der Mafia im Laufe der Jahre verändert?

Spätestens die Morde von Duisburg haben die Ermittler für die Mafia sensibilisiert. Anlassbezogen arbeiten deutsche und italienische Justizbehörden bei der Strafverfolgung zusammen – wie im aktuellen Fall. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wertete die aktuellen Festnahmen als Erfolg der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Behörden.

(dpa)
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