Soziales Land lenkt überraschend im Gerichtssaal ein

Trier · Der Streit mit den Behindertenwerkstätten um Verwendung von Steuergeldern steht kurz vor einer Einigung.

 Vor dem Sozialgericht Trier wurde die Klage des Landes gegen die Westeifelwerke verhandelt.

Vor dem Sozialgericht Trier wurde die Klage des Landes gegen die Westeifelwerke verhandelt.

Foto: Bernd Wientjes

Die Richterin macht aus ihrem Ärger keinen Hehl. Sie sei doch sehr verwundert, sagt Simin Namini, Richterin am Trierer Sozialgericht, dass sie erst einen Tag vor der Verhandlung per Fax von einer möglichen außergerichtlichen Einigung zwischen dem Land und den 36 Behindertenwerkstätten erfahren habe. Seit April sei der jetzige Verhandlungstermin bekannt gewesen, sagt die Richterin und weist darauf hin, dass seitdem Zeit genug gewesen sei, um den Termin möglicherweise zu verschieben. Nicht nur die Richterin zeigt sich erstaunt, über die unerwartete Wende in dem seit Monaten schwelenden Streit zwischen dem Land und den Behindertenwerkstätten. Auch deren Vertreter auf den Zuschauerplätzen schütteln verwundert den Kopf, als der Präsident des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung, Detlef Placzek erklärt, dass man sich nach „intensiven Verhandlungen“ nun auf der Zielgraden für eine Lösung befinde. Der Streit mit den Werkstätten werde in absehbarer Zeit beigelegt sein, sagt Placzek und beantragt den Prozess ruhen zu lassen. Die Richterin zeigt sich zunächst irritiert über den Antrag, hält ihn dann aber im Sinne einer außergerichtlichen Einigung für „zweckmäßig“.

Hintergrund des Streits ist eine Rüge des Landesrechnungshofes aus dem Jahr 2014. Dieser hatte bemängelt, dass das Land den Werkstätten im Vergleich zu anderen Bundesländern zu viel Geld aus dem Landeshaushalt zahle und nicht überprüfe, wie die Einrichtungen mit dem Geld wirtschaften. Rund 260 Millionen Euro fließen allein in diesem Jahr vom Land an die Behindertenwerkstätten. Nach der Kritik des Rechnungshofes forderte das Landesamt für Soziales alle Einrichtungen auf, offenzulegen, was sie mit den Zuschüssen machten. Diese haben sich zwar grundsätzlich bereit erklärt, sich in die Bücher schauen zu lassen, allerdings bedürfe es dafür einer Rechtsgrundlage. Und die gebe es anders als in anderen Bundesländern in Rheinland-Pfalz nicht. Es fehle an einer einheitlichen Regelung über die von den Werkstätten geforderte Qualität der Arbeit mit den Behinderten, über die erforderlichen Leistungen und über die Vergütung, haben die Werkstätten moniert.

Daraufhin verklagte das Land alle 36 Werkstätten, um das Prüfrecht zu erzwingen. Die Klagen sollten in Musterverfahren an den vier Sozialgerichten des Landes – in Trier, Mainz, Speyer und Koblenz – und am Sozialgericht Darmstadt verhandelt werden. Die jeweiligen Entscheidungen sollten richtungsweisend sein für alle Klagen. Diese könnten nun hinfällig werden, denn Placzek deutet an, dass auch diese Verfahren ruhen sollten.

In Trier sollte gestern der erste Musterprozess stattfinden. Die Klage des Landes richtete sich gegen die Westeifelwerke, die Einrichtungen in Gerolstein, Weinsheim und Wissmannsdorf unterhalten. Sie soll allein im vergangenen Jahr zehn Millionen Euro vom Land erhalten haben. „Wir sind nicht aufgefordert worden, offenzulegen, wie wir das Geld verwenden“, sagt Ferdinand Niesen, Geschäftsführer der Westeifelwerke und stellvertretender Vorsitzender der Landesarbeitgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (LAG).

Er sei optimistisch, dass es zu einer Einigung zwischen Land und den Werkstätten komme, sagt Niesen im Anschluss an die Verhandlung. Bis Ende des Jahres soll laut Placzek die Vereinbarung stehen, mit der dann wohl das Landesamt für Soziales ein Prüfrecht bekommen soll. Dafür hat sich die rheinland-pfälzische Sozialministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) schon seit längerem ausgesprochen. dass sich nun ein von beiden Seiten getragener außergerichtlicher Vergleich abzeichnet: Es müsse nun eine sichere Rechtsgrundlage geschaffen werden, damit prüfen könne, ob die Einrichtungen die Steuergelder ordnungsgemäß verwenden, sagt die Ministerin gestern.

Die CDU im Landtag ist kürzlich damit gescheitert, dem Landesrechnungshof den Prüfauftrag für die Werkstätten zu geben. Das haben die Koalitionsparteien, SPD, FDP und Grüne, abgelehnt. Der Bund der Steuerzahler Rheinland-Pfalz hat das als „fatal“ bezeichnet. Die Rechnungsprüfer seien unabhängig und müssten keine Konfrontation mit den Trägern der Werkstätten fürchten.

Der Chef des Landesamtes für Soziales geht davon aus, dass mit der bevorstehenden Einigung „beide Seiten“, Land und Werkstätten, zufrieden sein werden.

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