Brüssel „Die politischen Kosten für Deutschland wären zu hoch“

Brüssel · Der Chef der Europa-Grünen, Reinhard Bütikofer,sieht das Pipelineprojekt Nord Stream 2 und Gerhard Schröders Rolle dabei kritisch. Mit ihm sprach unser Korrespoondent Markus Grabitz.

 Reinhard Bütikofer von den Grünen.

Reinhard Bütikofer von den Grünen.

Foto: dpa/Stefan Sauer

Der Bau des umstrittenen Pipelineprojekts Nord Stream 2 wurde kürzlich gestartet. Ist es nicht an der Zeit, sich dem Faktischen zu fügen?

BÜTIKOFER Ich bin überzeugt: Der Kampf ist offen. Von Beginn an hat der Bauherr Gazprom den Eindruck erweckt, das Projekt sei unaufhaltsam. Das war es nie, das ist es auch heute nicht. Viele Fragen sind ungeklärt. So ist etwa immer noch vor dem Oberlandesgericht in Mecklenburg-Vorpommern eine Klage des Nabu anhängig gegen die Genehmigung. Gazprom fand es aber nicht nötig, auf eine Entscheidung zu warten. Es gibt keine Genehmigungen aus Schweden und Dänemark. Insbesondere eine Entscheidung aus Dänemark könnte dazu führen, dass Gazprom die Route teils neu planen muss. Es gibt zudem ein Verfahren des polnischen Wettbewerbsregulierers gegen die europäischen Unternehmen, die das Projekt mitfinanzieren.





























































Der Vorwurf lautet, dass sie kartellrechtliche Bestimmungen verletzen. Sodann gibt es einen Beschluss des EU-Parlaments, die europäische Gasgesetzgebung so zu ändern, dass sie auf diese Gaspipeline angewendet werden kann. Es kann also mitnichten davon die Rede sein, dass rechtlich alles durch ist.

Was spricht politisch gegen das Projekt?

BÜTIKOFER Die politischen Kosten für Deutschland wären zu hoch. Sie fallen zum einen an bei der ökonomischen und politischen Destabilisierung der Ukraine. Kann die Bundesregierung es verantworten, dass Russland faktisch die Möglichkeit bekommt, die Ukraine in große Erpressbarkeit zu schubsen?
Zweitens würde die Pipeline das deutsch-polnische Verhältnis schwer belasten und die EU-Solidarität beschädigen.
Drittens gibt es in Dänemark, in Schweden und bei der Nato große Sorgen vor einer zusätzlichen Militarisierung der Ostsee durch Russland im Zuge des Baus. Das alles für ein Projekt, das energie- und klimapolitisch unsinnig ist?

Es zeichnet sich aber doch ab, dass Moskau bereit ist, weiterhin Gas!transit durch die Ukraine zu garantieren?

BÜTIKOFER Nein. Es zeichnet sich ein Betrugsmanöver ab. Man darf nicht vergessen: Russland hatte schriftlich gegenüber EU und Ukraine garantiert, dass es sich an eine Entscheidung vor dem zuständigen Stockholmer Schiedsgericht im Streitfall zwischen Gazprom und der ukrainischen Firma Naftogaz halten wird.
Als die Entscheidung dann gegen Moskauer Interessen fiel, hieß es: Njet, tun wir nicht. Wenn Russland heute einen Transit durch die Ukraine zusagt und später zur Überzeugung kommt, dass es nicht vorteilhaft ist, gibt es kein Mittel, dies zu erzwingen. Die Mengen, über die Russland redet, sind lächerlich klein.
Putin formuliert außerdem Bedingungen, die man nur als Dementi im Kleingedruckten verstehen kann. Das sind alles nur Ablenkungsmanöver.

Russland hat sich aber 70 Jahre an Verträge gehalten …

BÜTIKOFER Falsch, die Sowjets waren verlässlich, das heutige Russland ist es nicht. Russland hat schon zwei Mal Verträge gebrochen, 2006 und 2009.
Noch einmal: Russland hat jetzt einen laufenden Vertrag und einen Schiedsspruch missachtet, obwohl EU-Kommissar Günther Oettinger eine schriftliche Zusicherung ausgehandelt hatte.
Wie soll man denn da auf Moskauer Zusagen bauen? Warum sollte man ihnen trauen, wenn man Russland gleichzeitig ermöglicht, eine technische Alternative über die Ostsee zu bauen?

Strich drunter: Was fordern Sie von der Bundesregierung?

BÜTIKOFER Immerhin erkennt sie mittlerweile an, dass die Pipeline nicht nur ein privatwirtschaftliches Unternehmen ist, sondern eine politische Dimension hat.
Ich erwarte aber von ihr Antworten auf drei Fragen: Wie will sie verhindern, dass mit dem Bau die Ukraine ökonomisch destabilisiert wird? Wie will sie den Riss in der EU verhindern, insbesondere zwischen Deutschland und Polen? Wie will sie eine weitere Militarisierung der Ostsee verhindern?

Wie bewerten Sie die Rolle von Gerhard Schröder bei Gazprom?

BÜTIKOFER Als Gerhard Schröder nach dem Ende der rot-grünen Koalition in den Dienst Putins trat, habe ich dies so kommentiert: Das stinkt.
Dabei bleibe ich. Dass sich ein deutscher Ex-Bundeskanzler zum Lakai einer aggressiven ausländischen Macht herabwürdigen lässt, das ist beispiellos.

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