Merkel gibt CDU-Vorsitz ab Ende einer Ära

Berlin · Paukenschlag nach Hessen & Co.: Angela Merkel tritt nach 18 Jahren als CDU-Chefin ab, und auch der Politik kehrt sie auf Sicht den Rücken. Die Aufregung um die Zeitenwende ist groß – aber die Kanzlerin bleibt cool.

Die „ewige Kanzlerin“ hat genug: Angela Merkel will beim CDU-Parteitag im Dezember nicht mehr für den Vorsitz antreten. Nach der Legislaturperiode 2021 will sie mit der Politik aufhören.

Die „ewige Kanzlerin“ hat genug: Angela Merkel will beim CDU-Parteitag im Dezember nicht mehr für den Vorsitz antreten. Nach der Legislaturperiode 2021 will sie mit der Politik aufhören.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Ein Fernsehreporter spricht von einer „historischen Pressekonferenz“, Volker Bouffier vorne am Pult von einer „tiefen Zäsur“ für die CDU. Und die Verursacherin des Ganzen? Angela Merkel trägt ihren bevorstehenden Rückzug vom Amt der Parteivorsitzenden, ihr absehbares Ende als Kanzlerin und ihren baldigen Totalausstieg aus der Politik in einer Tonlage vor, mit der sie auch mitteilen könnte, warum sie für heute das pinkfarbene Jackett gewählt hat.

Nur die Tatsache, dass sie von einem Zettel abliest, weist auf eine gewisse Bedeutung hin. Später, bei der Befragung durch die Journalisten, lächelt sie dann schon wieder mehrfach und antwortet ganz locker. Es sei, sagt sie, um die komplizierte Frage gegangen, wie man in Deutschland als Kanzlerin „in Würde“ aus dem Amt ausscheiden könne. „Bei uns gibt es ja keine Begrenzung.“ Darüber habe sie sich schon seit längerem Gedanken gemacht. Und zwar, deutet Merkel an, unabhängig von den Streitereien in der Groko und auch von den jüngsten Wahlniederlagen der Union in Bayern und Hessen. Im Sommer habe sie sich dann entschieden und dies eigentlich erst bei der Vorstandsklausur am kommenden Wochenende mitteilen wollen. „Das ziehe ich nun um eine Woche vor.“

Es ist eine Entscheidung ohne Wenn und Aber: Den Parteivorsitz gibt sie schon im Dezember ab, Kanzlerin bleibt sie nur bis zum Ende der Legislaturperiode und tritt auch bei vorgezogenen Neuwahlen nicht wieder an. Und für die Zeit danach strebt sie keine neuen Ämter mehr an. Auch nicht bei der EU in Brüssel, es gebe da ja Gerüchte, sagt sie. Was sie nach der Politik werde? „Ich hab jetzt keine Sorge, dass mir nix einfällt.“ Und grinst.

Im Parteipräsidium melden Gesundheitsminister Jens Spahn und Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Ambitionen auf das Parteiamt an, kaum dass die Chefin dort ihren bevorstehenden Abgang verkündet hat. Beide haben im Vorfeld von der Entscheidung nichts gewusst. Kramp-Karrenbauer hat noch am Vorabend gesagt, sie habe „kein anderes Signal“ als das einer erneuten Merkel-Kandidatur. Aber jetzt gilt es, schnell zu sein. Von Friedrich Merz, Erzkonkurrent aus Merkels Anfangszeiten, wird ebenfalls Interesse gemeldet. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet will seine Chancen zunächst in Gesprächen mit wichtigen Landesvorsitzenden ausloten, sagt er. Merkel lässt bei ihrer Pressekonferenz nicht erkennen, wen sie gerne als Nachfolger hätte. So ein Einflussversuch von oben gehe immer schief, sagt die Kanzlerin. Und spricht davon, dass auf die Partei jetzt doch ein „schöner Prozess“ der Selbstvergewisserung zukomme. „Das hatten wir ja 18 Jahre nicht.“ Freilich könnte dieser Prozess leicht zum Richtungsstreit werden. Merkelianer gegen Merzianer. Das beginnt schon gestern mit Presseerklärungen: Die Frauenunion für Kramp-Karrenbauer, Wirtschaftspolitiker und –verbände für Merz.

Jetzt lässt Merkel sich also doch auf die Trennung von Parteivorsitz und Regierungsamt ein, die sie eigentlich immer hatte vermeiden wollen. Das gelte ja nur für eine „begrenzte Zeit“, sagt sie. Und sei möglich, weil sie für sich entschieden habe, dass dies ihre letzte Kanzlerschaft sei. Aber es sei ein Wagnis, „keine Frage“. Die 64-Jährige hat sich vorgenommen, sich nach dem Hamburger Parteitag Anfang Dezember ganz auf die Regierungsarbeit zu konzentrieren. „Das Bild, das wir abgegeben habe, ist inakzeptabel“ formuliert sie. Das sei beileibe nicht nur ein Kommunikationsproblem, „ich rede über Arbeitskultur“.

 Der Anfang: Am 22. November 2005 erhielt Merkel ihre erste Ernennungsurkunde als Kanzlerin.

Der Anfang: Am 22. November 2005 erhielt Merkel ihre erste Ernennungsurkunde als Kanzlerin.

Foto: dpa/Tim Brakemeier

In den eigenen Reihen gibt es so kurz nach der Entscheidung erst einmal nur Loyalitätsbekundungen. „Wir freuen uns, dass sie das Amt als Bundeskanzlerin weiter ausüben will“, sagt Ralph Brinkhaus, der neue CDU/CSU-Fraktionschef. „Wir werden alles daran setzen, gemeinsam mit Angela Merkel und der von ihr geführten Bundesregierung diese Wahlperiode zu einem Erfolg zu machen.“ Dabei hat Brinkhaus mit seiner Kandidatur gegen den Merkel-Vertrauten Volker Kauder die Autorität der Kanzlerin im Sommer ernsthaft ins Wanken gebracht. So wie sonst nur noch einer: Horst Seehofer. Der erklärt gestern treuherzig, wie schade er den angekündigten Rücktritt finde. „Wir haben uns manche Diskussionen geleistet. Aber es war immer eine vertrauensvolle, von gegenseitigem Respekt getragene Zusammenarbeit.“ Seehofer, der Unruheherd des Jahres, bleibt im Amt, Merkel nicht. CDU-Mann Eckhardt Rehberg nennt das einen „Treppenwitz der Geschichte“. Zwei Mal wird Merkel nach der Zukunft Seehofers gefragt. Die einzige Frage, die sie nicht beantwortet.

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