Landtag Wenn die Politik das Zapfen streicht

Mainz  · Gastronomen wünschen sich längere Arbeitszeiten im Sommer – SPD gegen Einführung der Saisonarbeit.

 Das Gastgewerbe ist oft auch ein Saisongeschäft.

Das Gastgewerbe ist oft auch ein Saisongeschäft.

Foto: picture alliance / dpa/Daniel Karmann

Wenn die Sonne scheint, laufen in den Weinstuben, Ausflugslokalen und Biergärten des Landes neben Getränken auch die Bedienungen im Akkord. Geht es nach den Arbeitgebern, würden Kellner, Köche & Co. ihr Jahresarbeitszeitkonto bis in die lauen Sommernächte hinein füllen – um dieses im Winter abzubauen. Aktuell ist es aber so, dass die Politik klare Regeln setzt und damit den Arbeitnehmern nach zehn Stunden das Zapfen streicht. Neben dem Arbeitgeberverband Dehoga und der Gastro-Gewerkschaft NGG streitet darüber nun auch die Landespolitik. Die CDU würde die Hotel- und Gastronomie gern zur Saisonarbeitsbranche machen. Die Ampelfraktionen lehnen das ab – aus unterschiedlichen Gründen.

Alexander Licht (CDU) steht voll hinter der Idee. Seine Gründe: Die Tourismusbranche unterliege allgemein keiner Rezession, sei eine der wenigen, weltweit wachsenden Wirtschaftszweige. „Rheinland-Pfalz aber profitiert im Augenblick nicht über-, sondern unterdurchschnittlich von der Branche“, sagte er. Kernproblem laut Licht: Fachkräftemangel. Mit dem neuen Konzept will er vor allem Festanstellungen schaffen und verhindern, dass Hotels im Sommer einstellen und im Winter ihre Angestellten mangels Betrieb entlassen müssen. „Es ist ein Arbeitnehmerantrag“, sagt Licht.

Für Arbeitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) ist es hingegen ein „Freifahrschein“. Sie lehnt den Vorschlag ab – vehement. Im Ziel, den Tourismus zu stärken, stimme sie mit der Union noch überein. Der Weg? „Sie fordern die Anerkennung der Hotellerie und des Gastgewerbes als Saisonarbeitsbranche ohne Einzelantragserfordernis.“ Das Arbeitszeitgesetz schütze die Arbeitnehmer. Eine Aufweichung der Zehnstundengrenze würde demnach elementar dem Gesundheitsschutz der Mitarbeiter zuwiderlaufen. „Seelische und körperliche Erschöpfung, Erkrankungen und ein erhöhtes Unfallrisiko sind nachweisliche Folgen langer Arbeitszeiten“, sagt die Ministerin. Die Gewerkschaft habe einen Tarifvertrag, der solche Arbeitszeiten vorschlägt, deshalb bewusst nicht unterzeichnet. Die Union unterschlage auch, dass der Arbeitsmarkt ohnehin schon „in hohem Maße flexibel“ sei.

Die Branche hat dazu eine klare Position. Der Gastroverband Dehoga Rheinland-Pfalz schreibt in seinem Fünfpunkteplan: „Mit der Anerkennung des Gastgewerbes als Saisonarbeitsbranche in Rheinland-Pfalz könnten Tausende befristete Arbeitsverhältnisse in unbefristete Dauerarbeitsplätze umgewandelt werden.“ „Die in den maximal sechs Monaten des Jahres anfallenden Überstunden könnten in den sechs schwächeren Monaten des Jahres bei vollem Lohn in Freizeit ausgeglichen werden“, erklärt Präsident Gereon Haumann, zugleich Vorsitzender der CDU-Mittelstandsvereinigung. Dabei gehe es nicht um eine Erhöhung der zu leistenden Arbeitszeit, sondern um eine flexiblere Verteilung der Arbeitszeit entsprechend der saisonalen Nachfrage. Haumann schlägt auch eine Art „Experimentierraum auf freiwilliger Basis für Gastgeber und Arbeitnehmer“ vor – „befristet und wissenschaftlich begleitet“. Haumann ist sich sicher: „Die Sommerüberstunde ist die beste Medizin gegen die Winterarbeitslosigkeit.“

Eben jenen nahmen SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer und Grünen-Politiker Daniel Köbler ins Visier. Auch sie lehnten die Idee kategorisch ab. Haumann befinde sich schließlich als Dehoga-Präsident in einer Tarifverhandlung mit der NGG. „Und in laufenden Tarifauseinandersetzungen sollen wir uns positionieren? Das können wir so nicht diskutieren“, sagte Schweitzer und bezog damit eine klassische – heute fast ungewohnte – SPD-Position.

Schweitzer vertrat deutlich die Arbeitnehmerperspektive: „Die Arbeitsbedingungen in der Branche werden von der jüngeren Generation eher wenig attraktiv eingeschätzt“, sagte er. Außerdem: „Wir reden über Qualität auf dem Teller, im Glas und gegenüber den Gästen. Dann können wir doch nicht die Qualität der Arbeit aus Sicht der Arbeitnehmer vergessen.“

Die FDP hatte sich in der vergangenen Woche durchaus offen für die Idee einer Saisonarbeitsreglung gezeigt. Die Idee sei nicht völlig schlecht, hatte die Fraktionsvorsitzende Cornelia Willius-Senzer gegenüber unserer Zeitung mitgeteilt. Sprecher Steven Wink betrachtete den Antrag dementsprechend differenziert. „Ich bin etwas irritiert, dass wir Anträge abgekapselt von der Enquetekommission ins Plenum einbringen“, adressierte Wink in Richtung Licht und erklärte mit Blick auf die Tarifverhandlungen. „Den Antrag werden wir ablehnen, weil er aktuell zum völlig falschen Zeitpunkt kommt.“ Die Mehrheit des Hauses folgte dieser Einschätzung.

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