Spahn und das Impf-Chaos Der Minister, dem ein heißer Sommer droht

Berlin · Jens Spahn gerät wegen der Corona-Impfprobleme immer mehr unter Druck. Sein Stern sinkt – und es dürfte noch turbulenter werden.

Gesundheitsminister Spahn (CDU) steht in der Kritik – und will nun auf einem Impfgipfel Probleme lösen.

Gesundheitsminister Spahn (CDU) steht in der Kritik – und will nun auf einem Impfgipfel Probleme lösen.

Foto: dpa/Dorothée Barth

Vor einer Woche machte Gesundheitsminister Jens Spahn den Hauptstadtjournalisten ein Angebot. Er habe sich überlegt, „wenn Sie mögen“, im Lockdown jeden Freitag in die Bundespressekonferenz zu kommen. Gesagt, getan. An diesem Freitag ist der CDU-Mann wieder Gast. Es gibt schließlich jede Menge Fragen an ihn, weil vieles im Corona-Kampf schiefläuft. Freilich dürfte er selbst Erklärungsbedarf verspüren. Denn Spahns Stern sinkt.

Im neuesten ZDF-Politbarometer rangiert der Minister zwar hinter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf Rang drei der beliebtesten Politiker. Aber sein Wert hat sich verschlechtert, weshalb man auch sagen kann: Noch ist es Rang drei. Derzeit rollen viele Probleme über Spahn hinweg – neben dem offenbar zu teuren Einkauf von Schutzausrüstung und angeblich unwirksamen Masken ist es vor allem das Impfchaos, das dem 40-jährigen Minister massiv auf die Füße fällt. Nicht nur das in Deutschland, sondern zum Teil auch in Europa.

Seine Impfstrategie zündet hierzulande einfach nicht, nach wie vor warten viele hochbetagte Menschen auf die längst versprochene Spritze. Es gibt zu wenig Serum, zu viel wird den Alten abverlangt, um überhaupt an einen Termin zu kommen. Und wer nicht zu den Risikogruppen gehört, hat inzwischen das Gefühl, erst am Sankt Nimmerleinstag an der Reihe zu sein. Der Minister betont zwar gerne, man habe mehr als genug Impfstoff bestellt. Die Mittel seien jedoch „weltweit ein knappes Gut“. Beruhigend wirken solche Sätze aber kaum noch, zumal andere Länder schneller ihre Bürger vor dem Virus schützen.

Auch Spahns richtiger Hinweis, dass für die Impfungen und die Terminvergabe die Bundesländer zuständig seien, verpufft bei vielen Betroffenen. Kein Wunder, war es doch der Gesundheitsminister, der lange Zeit suggerierte, mit einem Impfstoff werde es im Kampf gegen das Virus schnell und erfolgreich vorangehen. Die Wahrheit ist eine andere. Am Donnerstag schlug Spahn daher vor, bei einem Impfgipfel zwischen Bund und Ländern „über die Lage, die Ziele, das weitere Vorgehen“ zu beraten. Am Montag soll er stattfinden. Ein solches Treffen hatte die Opposition schon länger gefordert. Auch aus der SPD hatten sich die Stimmen gemehrt. Auf eine „gemeinsame nationale Anstrengung“ beim Gipfel pochte Vizekanzler Olaf Scholz am Donnerstag. Einen „klaren, transparenten Impfstoff-Plan“ forderte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Die Vize-SPD-Chefin und Vize-Regierungschefin im Saarland, Anke Rehlinger, nannte den Gipfel wichtig, damit das Impfen „endlich mehr Fahrt aufnimmt“. Skepsis kam indes von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Ein Gipfel werde den Menschen „in den nächsten Monaten nicht eine zusätzliche Ampulle mehr bringen“, sagte Vorstand Eugen Brysch. Mancher in Berlin wertete Spahns Gipfel-Anregung derweil prompt als Eingeständnis, mögliche Probleme unterschätzt zu haben.

Insider glauben ohnehin, dass Spahn vor einem turbulenten Sommer stehen wird. Es heißt, erst dann werde richtig sichtbar werden, was alles schiefgelaufen sei im Anti-Corona-Kampf des Ministers. Schon jetzt haben sich Opposition und Koalitionspartner SPD auf Spahn eingeschossen, vor allem Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig ist zur schärften Kritikerin geworden. Immer öfter müssen ihn deshalb führende Unionspolitiker verteidigen. So wird Kanzlerin Angela Merkel nicht müde, ihren Gesundheitsminister zu loben, zuletzt in der Sitzung der Unionsfraktion am Dienstag. Nach Informationen unserer Redaktion soll bei der Videoschalte auch der neue CDU-Chef Armin Laschet seinem Parteivize demonstrativ beigesprungen sein. Spahn habe einen schweren Job, „wir werden uns gemeinsam vor ihn stellen“, zitierten Teilnehmer anschließend Laschet. Dabei hatte Spahn noch versucht, seinen Kompagnon im Rennen um den CDU-Vorsitz zu überholen, freilich ohne Erfolg.

Auch bei der Entscheidung der K-Frage will der Minister unbedingt noch mitmischen. Setzt sich die Corona-Pannenserie allerdings fort, könnte eine Kanzlerkandidatur bei der Bundestagswahl im Herbst erst recht Wunschtraum bleiben. Ob Spahn dann zumindest der Griff nach dem Fraktionsvorsitz gelingen wird, dürfte dann ebenso in den Sternen stehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort