Durchsuchungen in mehreren Bundesländern Faeser verbietet Neonazi-Gruppe „Hammerskins Deutschland“ - Razzien auch in Rheinland-Pfalz

Update | Berlin · Ihr Symbol sind zwei gekreuzte Hämmer. Jetzt hat die Bundesinnenministerin die „Hammerskins Deutschland“ verboten. Die Razzia sei über ein Jahr lang vorbereitet worden, heißt es. Offenbar ein Ziel: ein rechtsextremer Musiker aus dem Landkreis Ahrweiler.

 Einsatzkräfte der Polizei führen eine Razzia gegen eine Neonazi-Gruppe in Berlin-Alt-Hohenschönhausen durch. Bundesinnenministerin Faeser hat den rechtsextremistischen Verein «Hammerskins Deutschland» sowie seine regionalen Ableger und die Teilorganisation «Crew 38» verboten.

Einsatzkräfte der Polizei führen eine Razzia gegen eine Neonazi-Gruppe in Berlin-Alt-Hohenschönhausen durch. Bundesinnenministerin Faeser hat den rechtsextremistischen Verein «Hammerskins Deutschland» sowie seine regionalen Ableger und die Teilorganisation «Crew 38» verboten.

Foto: dpa/Paul Zinken

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat den rechtsextremistischen Verein „Hammerskins Deutschland“ sowie seine regionalen Ableger und die Teilorganisation „Crew 38“ verboten. Wie das Ministerium am Dienstag mitteilte, durchsuchten Einsatzkräfte der Polizei am frühen Morgen Wohnungen von 28 mutmaßlichen Mitgliedern des Vereins in zehn Bundesländern: Rheinland-Pfalz, Saarland, Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Thüringen.

Razzien in Rheinland-Pfalz

In Rheinland-Pfalz sind laut Pressemitteilung des Innenministeriums drei mutmaßliche Mitglieder Organisationen im Rhein-Pfalz-Kreis und im Landkreis Ahrweiler von den Maßnahmen betroffen. Die jeweiligen Kreisverwaltungen hätten als zuständige Vollzugsbehörden Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse bei den Verwaltungsgerichten Neustadt und Koblenz erwirkt. Insgesamt seien rund 40 Kräfte der Polizei im Einsatz gewesen.

Die Hammerskins sind international aufgeteilt in verschiedene Chapter (Abteilungen). Diese Struktur ähnelt der von Motorradclubs. Die Hammerskins Deutschland seien ein Chapter (Abteilung) der international verbundenen Hammerskins Nation, erklärt das Ministerium. In Deutschland wiederum splitte sich die Organisation in 13 Chapter in elf Bundesländern auf. „Die beiden überregionalen Chapter Rheinland und „Westwall“ betreffen auch Rheinland-Pfalz“, erklärt das Ministerium. „Bei den Mitgliedern handelt es sich ausschließlich um Männer, die einander als ‚Brüder’ ansehen und auch finanziell unterstützen.“ Die Mitglieder seien seit Jahren tief in der rechtsextremistischen Szene verwurzelt.

Einer der Durchsuchten ist offenbar ein rechtsextremer Musiker aus dem Landkreis Ahrweiler. Zumindest hat er die Polizeiaktion bei sich zu Hause einen Tag später auf seinem Instagram-Account erwähnt. Sein ursprünglicher Beitrag lässt darauf schließen, dass die Polizei sein Smartphone einkassiert hat. Er sei nur über Instagram oder via Threema erreichbar, heißt es da. Die entsprechenden Zeilen hat er aber inzwischen gelöscht.

Durchsuchungen im Saarland

Auf Anfrage der Saarbrücker Zeitung erklärt Stephan Laßotta, Sprecher des Landespolizeipräsidiums, dass im Saarland sechs Objekte durchsucht werden. Bei der Razzia wurden in Mecklenburg-Vorpommern drei Objekte durchsucht, in Brandenburg waren vier Verdächtigte betroffen, in Berlin zwei Orte, in Hessen ein Verdächtigter. Als Treffpunkt der Hammerskins im Saarland dient unter anderem die sogenannte Hatebar in Dillingen. Im Jahr 2019 schrieb die Landesregierung der Hammerskins-Abteilung Westwall im Saarland 30 Personen zu.

Der Verein richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, gegen den Gedanken der Völkerverständigung, hieß es zur Begründung. Zudem liefen Zweck und Tätigkeit der Vereinigung den Strafgesetzen zuwider. Bei Konzertveranstaltungen der Gruppe würden auch Nicht-Mitglieder mit rechtsextremistischem Gedankengut ideologisiert. Bei den Vorbereitungen für das Verbot haben Bund und Länder nach Angaben des Ministerium über ein Jahr lang zusammengearbeitet. Auch mit US-Partnerbehörden sei kooperiert wurden.

Insgesamt 20 rechtsextremistische Vereinigungen verboten

Die Neonazi-Gruppe ist ein Ableger einer Gruppierung aus den USA und existiert in Deutschland seit Anfang der 1990er Jahre. Zu den rechtsextremistischen Vereinigungen, die in den vergangenen Jahren verboten wurden, zählen unter anderem „Combat 18“ und „Nordadler“. Insgesamt hat das Bundesministerium laut eigenen Angaben inzwischen 20 rechtsextremistische Vereinigungen verboten.

Das Verbot sei „ein harter Schlag gegen den organisierten Rechtsextremismus“, sagte Bundesinnenministerin Faeser. Damit werde „ein klares Signal gegen Rassismus und Antisemitismus“ gesetzt. Der Rechtsextremismus sei nach wie vor „die größte extremistische Bedrohung für unsere Demokratie“. Sie betonte: „Deshalb handeln wir weiter mit aller Entschiedenheit, um rechtsextremistische Strukturen zu zerschlagen.“

Organisation hat Rechtsrock-Konzerte veranstaltet

Im Jahr 2019 haben die Hammerskins das Hammerfest, ein beliebtes Rechtsrockfestival, in Plaine bei Colmar in Lothringen organisiert. Unter anderem ist dort auch der rechtsextreme Liedermacher aufgetreten, der am Montag zum Ziel der Polizei wurde. Das Einzugsgebiet erstreckte sich laut Szenebeobachtern von Baden-Württemberg über das Saarland bis Rheinland-Pfalz. Solche Rechtsrockkonzerte sind aus Sicht der Experten nicht nur wichtig als Netzwerk- und Propagandaveranstaltungen der rechten Szene, sondern stellen auch eine wichtige Einnahmequelle dar – zum Beispiel um militante Gruppierungen zu bewaffnen.

2019 haben Rechtsextreme laut Szenebeobachtern in Rheinland-Pfalz kaum noch Konzerte organisiert. Schon 2010 war mit der Chaos Crew Wittlich ein wichtiger Veranstalter nach strafrechtlichen Ermittlungen und Festnahmen weggefallen. Doch zuletzt sind die Zahlen wieder angestiegen. Der Mainzer Musikwissenschaftler und Rechtsrockexperte Thorsten Hindrichs und der Verein Demos aus Hachenburg gehen davon aus, dass im Jahr 2021 landesweit neun Rechtsrockkonzerte organisiert wurden – mehr als in den Vorjahren. Auch Mitglieder der Hammerskins sollen daran mitgewirkt haben. Im Februar 2022 hat die Polizei eine Veranstaltung mit einer rechtsextremen Band aus Thüringen und 30 Teilnehmern in einer abgelegenen Mühle im Westerwald bei Koblenz aufgelöst. An dem Einsatz waren 130 Polizisten beteiligt.

Der aktuelle rheinland-pfälzische Verfassungsschutzbericht erklärt über die Rechtsrockszene: „Trotz ihrer Unstrukturiertheit wird diese Musikszene teilweise von rechtsextremistischen Gruppierungen geprägt. Ein Beispiel dafür sind die ‚Hammerskins‘, die über Jahre rechtsextremistische Konzerte im In- und Ausland organisierten.“ Ihrem Umfeld seien einschlägige populäre Bands zuzurechnen. Darüber hinaus sei die Gruppierung – ähnlich wie die verbotene rechtsextremistische Vereinigung Combat 18 – in den Vertrieb von Szeneartikeln eingebunden.

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