Erneuerbare Energien Biogas – ein Allerweltsprodukt aus Abfällen

Föhren · Biogas könnte weit mehr zum Klimawandel beitragen als derzeit politisch gewollt. Zumal es Energie liefern kann, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Nun scheint Bewegung in die Sache zu kommen, wovon auch der Lokalmatador für Biogas-Anlagen, Ökobit aus Föhren, profitieren könnte.

Hier wird der Substratschlauch angehängt, so dass die Biomasse in die Gärkörper befördert werden können.

Hier wird der Substratschlauch angehängt, so dass die Biomasse in die Gärkörper befördert werden können.

Foto: Lukas Huneke/Ökobit/Lukas Huneke

Als Ende der 1990er Jahre in Bayern die erste Biogasanlage installiert wurde, war Christoph Spurk gleich begeistert. Denn als Absolvent der Abfallwirtschaft und Versorgungstechnik hat er sich schon im Studium mit Abfällen beschäftigt: „Sie hatten immer einen Ekelfaktor, einen Makel. Die Faszination ist es auch heute noch, aus Abfall sauberen Strom zu produzieren“, sagt er.

Und so gründet er 2000 das Unternehmen Ökobit und profitiert davon, dass erstmals auch politisch mit der Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) die Basis für Ökostrom gelegt wird. Doch Spurk, der auch Vizepräsident des Fachverbands Biogas Deutschland ist, merkt schnell: Die Branche wird immer wieder zum Spielball der Politik. Insgesamt neun Novellen hat das EEG bislang hinter sich – und weitere stehen sicher ebenfalls noch an.

Zumindest will Wirtschaftsminister Robert Habeck jetzt die Deckelung für Biogas-Anlagen per Gesetz aufheben lassen. Denn seit einigen Jahren ist sowohl der Ausbau von Biogasanlagen als auch die dort produzierte Gasmenge gedeckelt. Jede Biogasanlage darf seit 2014 nur den Durchschnittswert der vergangenen drei Jahre produzieren und nicht mehr, heißt es von Seiten der Energieagentur Rheinland-Pfalz. Eine Änderung dessen könnte mehr Kapazität und mehr Arbeitsplätze schaffen.

„Wir könnten unseren Marktanteil um 30 Prozent erhöhen und damit bis zu elf Prozent zum Energie-Mix in Deutschland beitragen – mehr als das Doppelte von heute“, ist Spurk überzeugt. „Wir könnten so innerhalb kürzester Zeit ein Atomkraftwerk ersetzen.“

Denn technisch kennt sich der studierte Ingenieur (53) aus. Immerhin seit 2001 plant, baut und managt Ökobit Biogasanlagen. „Das Thema EEG hat uns immer begleitet, sei es, als 2004 auf stillgelegten landwirtschaftlichen Flächen Mais zur Biomasse zugelassen wurde, Biogas 2006 erstmals auf Erdgasqualität produziert werden konnte oder als die Branche 2008 infolge der Explosion der Lebensmittelpreise in die Diskussion geriet.“

Ökobit mit den Geschäftsführern Spurk, Sebastian Schmidt und Michael Marx profitiert in den 2000er Jahren vom Boom beim Biogas: Es ist nicht nur das erste Unternehmen in Deutschland, das Biogas auf Erdgas-Niveau aufbereiten kann, sondern inzwischen mehr als 180 Beschäftigte europaweit beschäftigt. Der Durchbruch in der Region Trier gelingt, als 1,7 Millionen Hektar Fläche für Biomasse bereitgestellt wird. Die Anlagen werden immer größer, statt 100 Kilowatt Strom produzieren diese nun das bis zu Fünffache.

Obwohl der deutsche Markt infolge einer neuerlichen Novellierung des EEG 2014 einbricht und statt 1.100 Anlagen im Jahr 2011 nur noch 60 im Jahr 2015 in Deutschland gebaut werden, hat sich der Marktriese im Ausland umgeschaut und mit mehr als 300 Anlagen bis heute auch welche in Südamerika, Australien und in der Karibik gebaut – dank Know-How aus Föhren. In Frankreich ist das Tochterunternehmen sogar Marktführer, in Osteuropa ist die Ökobit-Niederlassung federführend, so dass heute nur noch rund zehn Prozent des Umsatzes in Deutschland erwirtschaftet werden. „Hierzulande haben wir das Thema unternehmerisch unterschätzt. So gibt es nur noch 15 Firmen in Deutschland, die überhaupt Biogasanlagen bauen“, sagt Spurk.

Und was heißt das für den Klimawandel? „Die Energiewende ist nicht einfach und Biogas ist mit Wind oder Photovoltaik nicht vergleichbar. Denn wir können Energie nicht einfach ernten, sondern brauchen dafür erst mal Pflanzen“, sagt der Unternehmer, der selbst aus der Landwirtschaft stammt.

Dafür hat Biomasse einen großen Vorteil: Erzeugtes Biogas kann dann eingesetzt werden, wenn Flaute ist oder die Sonne nicht scheint. Alle Biogas-Stromanlagen verfügen über Gasspeicher, so dass sie bei Stromspitzen auch vorübergehend ausgeschaltet bleiben und nach Bedarf zugeschaltet werden können. Und so schreibt Christoph Spurk dem Biogas die Rolle des „Gamenchangers“ in der Energiewende zu, die Rolle desjenigen, der den Wechsel herbeiführen kann: „Wir haben die Technologie und als einzige die Möglichkeit, grünes Gas aus nachwachsenden Rohstoffen zu erzeugen.“

Beim Aufbau einer Biogasanlage kann man gut die einzelnen Elemente erkennen, sowohl für die Biomasse wie den Fermenter, Gärrestelager und Blockheizkraftwerk.

Beim Aufbau einer Biogasanlage kann man gut die einzelnen Elemente erkennen, sowohl für die Biomasse wie den Fermenter, Gärrestelager und Blockheizkraftwerk.

Foto: Ökobit

Und so freut er sich darüber, dass mit der Ampelkoalition im Bund das Biogas neue Aufmerksamkeit erhält, um gleichzeitig an neuen Modell-Anlagen zur Erzeugung von Biogas zu arbeiten. Ökobit hat demnach Industrie und Landwirtschaft gleichermaßen im Blick: Für große Unternehmen im Metallbau, der Automobil- oder Bitumenindustrie oder von Zementwerken lotet das Unternehmen per Machbarkeitsstudie aus, ob Biogas für die Produktion in Frage kommt. Gülle könnte schon bald so aufbereitet werden, dass es die Diesel-Beimischung Ad Blue erzeugen kann. Und auf Reiterhöfen ist ein Pilot gestartet, der in einer Kleinstanlage Pferdemist zu Biogas umwandelt. „Als wir Ökobit gegründet haben, ging es um Energiegewinnung aus Mist und Gülle“, sagt Spurk. Er verweist auf noch nicht zugelassene Stoffe aus der Weinherstellung oder die neu entdeckte und insektenfreundliche Energiepflanze Durchwachsene Silphie als Biomasse-Träger. Heute gehe es um problemorientierte Technik und Diversifizierung: „Das Ziel ist die Reduzierung von Kohlenstoffdioxid. Und da glaube ich nicht nur an eine einzige Technologie. Es gibt viele Potenziale, die noch nicht ausgeschöpft sind.“

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