Konzerte Im Mittelpunkt ein Gebet

Trier · Bildlegende:

 Volker Krebs dirigiert die Musiker von Basilikachor und -orchester St. Paulin.

Volker Krebs dirigiert die Musiker von Basilikachor und -orchester St. Paulin.

Foto: TV/Martin Möller

Foto 763: Volker Krebs mit Basilikachor und Basilikaorchester St. Paulin

Foto 751: Basilikachor und Basilikaorchester in St. Paulin


Im Mittelpunkt ein Gebet

Inhaltsreiches Konzert zum Jahreswechsel in Trier-St. Paulin

Von unserem Mitarbeiter

Martin Möller

TRIER ''Ich glaubte immer, bei Neuer Musik müsse man weglaufen``, sagte
ein Besucher nach dem Jahreswechsel-Konzert in der vollbesetzten Trierer
Pfarrkirche St. Paulin. Das Orgelkonzert, das Hans-André Stamm, Jahrgang
1958, im Jahr 1998 geschrieben hat, ist in der Tat kein Werk, das rasche
Entfernung nahelegt. Es ist anders. Der Komponist verbindet historische
und moderne Tonsprachen zu einem Stil, der in Triers herrlicher
Barockkirche eine raumfüllende Festlichkeit ausstrahlt. Da kommen
Kirchentonalität, Impressionismus und Minimal Music zusammen zu einem
Klang, der trotz seiner Größe den Hörer nicht erschlägt, sondern sich
ihm öffnet. Stamm gelingt es, die unterschiedlichen Klangfarben von
Orgel und Orchester zu einem einheitlichen ''Klangspiegel`` zu
verbinden. Dirigent Volker Krebs steuerte zudem den exzellenten
Orgelsolisten Klauspeter Bungert und das Pauliner Basilikaorchester
sicher durch die Partitur. Gemeinsam vermitteln sie die festliche
Geschlossenheit, die dieses Werk ausstrahlt. Es ist Musik, die antwortet
anstatt zu fragen, die Sicherheit und so etwas wie Mitte verspricht -
''erbaulich`` sei sie, hätte man wohl früher gesagt.

Überhaupt: Volker Krebs bleibt seiner Linie treu. Das Pauliner
Jahreswechsel-Konzert behält seinen festlichen Charakter, und doch
verfällt es nicht in museale Feierlichkeit. Der Trierer Regionalkantor
sucht und findet Neues, wagt vorsichtige Experimente und gräbt
Vergessenes aus. Nicht immer erfüllt das Resultat dann hoch gesteckte
Erwartungen. Aber immer ist es Anlass zu Nachdenken und Gespräch.

So ist das Magnificat, das Mendelssohn 1822, als Dreizehnjähriger
schrieb, ganz gewiss Beleg einer außergewöhnlichen Begabung und einer
erstaunlichen Fähigkeit, künstlerische Impulse aufzunehmen und in eigene
Ideen umzusetzen. Der junge Mendelssohn hat all seine Energie an dieses
Werk gesetzt. Immer wieder klingt Bachs Magnificat an. Dieses Werk
erschien 1811 im Druck, Mendelssohn muss es gekannt haben. Wie er bei
Bach gelernt hat, sucht er Chor, Solisten und Orchester gleichwertig und
eigenständig zu behandeln und verlässt sich nicht auf Chor- und
Solistenpartien mit begleitenden Instrumenten. Immer wieder lösen sich
die Vokalgruppen vom Instrumentalsatz, werden gelegentlich sogar
cappella eingesetzt. Zudem gelingen dem Dreizehnjährigen anschauliche
Wort-Ton-Bezüge. Und doch bleiben Defizite. Vor allem: die
koloraturenreichen Vokalpartien sind nicht gesangsgerecht geschrieben
und überfordern Chor wie Solisten deutlich. Der Basilikachor, der sich
in a-cappella-Partien bewährt, muss sich in den Koloraturen mit
Andeutungen begnügen und bleibt in der Intonation oft ungenau. Und die
an sich präsente und homogene Solistengruppe (Ursula Thies , Ellen Wils,
Zsolt Gabor und David John Pike) führt mit dem starken Bläsersatz im
Orchester einen ziemlich aussichtslosen Kampf.

Wie unbefragt schön, wie innig und bewegend geraten da die Herzstücke in
diesem Konzert! Volker Krebs gibt Mendelssohns herrlicher Vertonung von
Psalm 42 (''Wie der Hirsch schreit``) alle Schönheiten mit, an denen
dieses Werk so reich ist. Der Trierer Regionalkantor meidet akustische
Härten. Aber er verlässt sich nicht auf neutralen Schönklang, sondern
lässt die Partitur sprechen - mit allen ihren Schönheiten und
Feinheiten. Dem starken und präsenten Chor unterlaufen nur wenige
Homogenitätsprobleme und Intonationstrübungen. Und Ursula Thies
verbreitet in ihren ausgedehnten Sopran-Soli nach leicht unruhigem
Einstieg einen sängerischen Enthusiasmus, der rundweg begeistert.

Und dann, ganz im Mittelpunkt, Mendelssohns Neufassung des Luther-Lieds
''Verleih uns Frieden gnädiglich``. Ein ''Gebet`` hat Mendelssohn diese
Musik genannt. Volker Krebs und sein Ensemble nehmen all ihre
Frömmigkeit und Innigkeit auf. Zuweilen war es sogar, als stünde die
Zeit still und es öffne sich ein Raum für Innehalten und Besinnen.
Beides ist heute so aktuell ist wie zu Luthers oder Mendelssohns Zeiten.

Mendelssohn muss dieses Werk sehr geliebt haben. Über Jahre hinweg
erwähnt er es immer wieder in seinen Briefen. Mit dem Magnificat indes
verfuhr er anders. Die Komposition war ihm nur im Entstehungsjahr 1822
eine kleine, neutrale Anmerkung wert.

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