Kunst Auf der Suche nach der Farbe des Lebens
Bitburg · Er hat das Massenmorden im KZ erlebt. Nach dem Krieg hat der Luxemburger Widerstandskämpfer Edmond Goergen sich der Malerei gewidmet. Die Ausstellung „Vom Schrecken ins Licht“ im Haus Beda dokumentiert den Weg eines Menschen, der seinen Glauben an Mitmenschlichkeit und das Gute nicht verloren hat.
Die Nazis hatten ihn ins Konzentrationslager verschleppt – erst nach Hinzert im Hunsrück, dann Sachsenhausen, schließlich Mauthausen in Österreich. Dort erlebte der Luxemburger Widerstandskämpfer Edmond Goergen das Grauen hautnah. Das Massenmorden. Die Unmenschlichkeit des nationalsozialistischen Terrorregimes. Tag für Tag. Er lebte mit der Angst, der Verzweiflung, der Trauer. Sah, wie Mithäftlinge starben, verbrannt wurden oder die Leichname in Gruben zusammengeschüttet wurden. Wird ein Mensch diese Bilder je wieder los?
Edmond Goergen hat sie gezeichnet. Seine Mithäftlinge, ausgemergelte Körper, die Verbrennungsanlage, Stacheldrahtzäune, Wachposten, die Bettenlager der Inhaftierten. Goergen war als politischer Gefangener inhaftiert. Vermerk in seiner Akte: „Rückkehr unerwünscht“.
Goergen hat sich mit Beginn des Zweiten Weltkrieges im Luxemburger Widerstand und der französischen Résistance engagiert. Als Techniker bei Radio Luxemburg Telefonleitungen der SS angezapft und geheime Informationen an die Alliierten weitergegeben. Er hat 150 junge Luxemburger bei Freunden versteckt und sie vor dem zwanghaften Einzug in die Wehrmacht bewahrt. Am Mittagstisch hat die Gestapo ihn verhaftet.
Häftling Nummer 88887 hat das Konzentrationslager überlebt. Anders, als die Nationalsozialisten es sich gewünscht haben, kehrte Goergen zurück. Drei Tage nach der Befreiung des Lagers durch die Amerikaner am 17. Mai 1945 war Goergen zurück in seiner Heimat. Zurück zu seiner Frau Marie und dem Töchterchen Blanche. Gerade Anfang 30 war Goergen damals, schwerkrank, aber am Leben.
Das, was er nun vom Leben wollte – außer das Wiedersehen mit seiner Familie –, war malen. Schon als junger Techniker hat er an der Staatlichen Kunst- und Handwerkerschule in Luxemburg Kunstmalerei studiert und später ein Fernstudium für Malerei in der Ecole Universelle de Paris begonnen. Malen zu dürfen, ist der tiefste Wunsch seit seiner Kindheit. Er nimmt sein Studium in Paris wieder auf und schließt es 1946 mit Diplom als „Professor für Malerei“ ab. Aber was bringt der Mann auf die Leinwand, in dessen Herz sich die Bilder aus dem KZ gebrannt haben?
Schneelandschaften mit starken Kontrasten. Der weiße Schnee, schwarze knorrige Bäume. Die Bilder haben was Bedrückendes, eine beklemmende Leere, quälende Stille. Goergen wollte etwas bewegen. Er hat, so schreibt es später seine Tochter Viviane auf, sich mit Mithäftlingen im KZ geschworen: Wer das Lager überlebt, setzt sich für die Völkerverständigung ein, damit ein solch grausamer Krieg sich niemals wiederhole.
Goergen hat das Versprechen ernst genommen. 1957 ist er Mitbegründer der Europäischen Vereinigung Bildender Künstler (EVBK), in der sich Maler aus Frankreich, Belgien, Luxemburg und Deutschland zusammengeschlossen haben. Und auch am 1980 unterzeichneten Vertrag über die kulturelle Zusammenarbeit zwischen dem Großherzogtum und der Bundesrepublik hat Goergen mitgewirkt.
Seine Werke werden mit den Jahren und Jahrzehnten bunter und unbeschwerter. Es ist, als habe sich Goergen auf die Suche nach der Farbe des Lebens begeben. Das Gute, das Bestand hat. Die Schönheit einer Landschaft, eines Hafens, des Moselufers oder eines Eifeldorfes. Und dennoch: Auch diese Bilder stimmen nachdenklich. Als habe der Künstler das Schöne festhalten wollen, bevor es im nächsten Moment zusammenstürzt, sich auflöst, weggefegt wird. Ein hoffnungsvoller Blick auf eine zerbrechliche Welt. Aber eine, in der es sich lohnt, zu leben.
Genau diese Entwicklung des Malers zeigt die Ausstellung „Vom Schrecken ins Licht“, die heute im Haus Beda eröffnet wird. Skizzen aus dem Konzentrationslager sind ebenso zu sehen, wie Porträts und viele Landschaften – ob die Mosel oder Windungen der Sauer, Ansichten von Trier, Prüm, Rom, Paris oder der Bretagne und Südfrankreich. Goergen ist später viel gereist.
Seine Tochter Viviane ist mit dem Wunsch, Werke ihres Vaters zu zeigen, an Haus Beda herangetreten. „Das habe ich gerne aufgenommen“, sagt Michael Dietzsch, Vorsitzender der Dr.-Hanns-Simon-Stiftung, die die Bitburger Kulturstätte betreibt. „Was mich fasziniert ist, dass dieser Maler mit diesem Lebensweg sich trotz oder gerade wegen der grausamen Erfahrungen eines zerstörerischen Weltkriegs so für die grenzüberschreitende Verständigung eingesetzt hat“, sagt Dietzsch. Auch er will mit dieser Ausstellung ein Zeichen setzen.
So sollen bei der Eröffnung mit hochrangigen Gäste aus Luxemburg – die Schirmherrschaft haben die Königlichen Hoheiten des Großherzogtums Luxemburg übernommen – und der Eifel auch die Bande zwischen dem Nachbarland und dem Landstrich, der bis zum Wiener Kongress 1815 zu Luxemburg gehörte, wieder enger geknüpft werden. Denn, so sagt Dietzsch: „Kunst öffnet den Blick und Kunst verbindet.“
Die Ausstellung „Vom Schrecken ins Licht“ mit Werken von Edmund Goergen wird am Freitag, 1. Juni, 18 Uhr, im Haus Beda eröffnet und ist bis zum 19. August zu sehen. Der Kunsthistoriker Dr. Richard Hüttel führt in das Werk ein.