Kunst Kunst mit der Hingabe eines Kindes

Luxemburg · Die Villa Vauban in Luxemburg würdigt in einer Ausstellung die Malerin Paula Modersohn-Becker.

 Paula Modersohn-Becker, Halbfigur eines Mädchens, den Arm um ein Kind gelegt, 1904.

Paula Modersohn-Becker, Halbfigur eines Mädchens, den Arm um ein Kind gelegt, 1904.

Foto: Landesmuseum Hannover/ARTOTHEK

„Es ist wunderbar, wie solch ein kleines Kindergemüt ein Ding ergreift und von ihm innerlich durchtränkt wird“, schrieb Paula Modersohn-Becker in einem Brief an ihren Bruder. Kinderbilder waren fraglos das Lieblingsthema der berühmten Malerin. Weithin sind die Porträts der stillen, mit großen Augen nach innen schauenden Kinder zum Markenzeichen der Malerin geworden. An den Kleinen faszinierte die Künstlerin die völlige Hingabe an ihre kindliche Erlebniswelt, die sich der Welt der Erwachsenen  zu entziehen schien.

Kinder schien zudem eine Einsamkeit zu umgeben, die auch der 1876 in Dresden geborenen Künstlerin nicht fremd war. Ein Selbstporträt aus ihrem Todesjahr weist eine verblüffende Ähnlichkeit mit ihren Kinderporträts auf. Lange hatte die Malerin ihren Wunsch nach eigenen Kindern ihrem Beruf zuliebe zurückgestellt. Umso tragischer mutet ihr Tod 1907  bei der Geburt ihres ersten Kindes an.  Eine Ausstellung der Villa Vauban, der Gemäldesammlung der Stadt Luxemburg,  widmet sich jetzt der Künstlerin, die als Wegbereiterin des deutschen Expressionismus gilt und zu den eindrucksvollsten wie eigenwilligsten weiblichen Malerpersönlichkeiten ihrer Zeit gehört. Zudem befasst sich die Schau mit dem Umfeld der Malerin, der Künstlerkolonie Worpswede. Eine zweite Ausstellung im Untergeschoss mit dem Titel „Soweit das Auge reicht“ gibt einen Überblick über Landschaftsmalerei vom 19. bis ins 21. Jahrhundert. Die beiden Ausstellungen sind als Kooperation des Luxemburger Museums mit dem Niedersächsischen Landesmuseum Hannover entstanden. Wie einmal mehr in Luxemburg deutlich wird, umfasst Paula Modersohn-Beckers Werk weit mehr als ihre populären Kinderbilder. Der Figur und damit dem Menschen  galt ihre Leidenschaft, die sie in Gemälden und Zeichnungen (darunter zahlreiche Akte) auslebte. Dazu kamen Stillleben und Landschaften. Die zu malen hielt sie für besonders schwierig. Man solle beim Malen von Landschaften gar nicht so sehr an die Natur denken, stellte sie programmatisch fest. In der Villa Vauban verdeutlicht ihr Gemälde „Zwei Birkenstämme am Moorkanal“ eindrücklich,  wie sehr Natur in ihrer Kunst zur neuen eigenen Bildschöpfung wird. Deutlich wird auch ihre Emanzipation von den stimmungsvollen Naturstücken der Worpsweder Künstlerkolonie.

Im „Stillleben mit Gemüse und Geschirr“ stellt sich der Einfluss Paul Cézannes auf  Modersohn-Becker dar. Dessen Werk hatte die Malerin schon früh bei einem ihrer vier Paris-Aufenthalte schätzengelernt. Dorthin floh die Künstlerin immer wieder aus dem engen Worpswede und der als ebenso beengend empfundenen  Ehe mit dem Worpsweder Maler Otto Modersohn. „Es ist gut, sich aus den Verhältnissen herauszulösen, die einem die Luft nehmen“. Das hatte die Malerin, deren Porträt  ihre Freundin, die Bildhauerin Clara Rilke-Westhoff  (die Ehefrau des Dichters Rainer Maria Rilke) anrührend gestaltete, beizeiten erkannt.

Die in der Ausstellung zu sehende Bronzebüste zeigt eine in sich versunkene, etwas leidend wirkende junge Frau. Früh hatte sich die in Dresden geborene und in Bremen aufgewachsene Tochter eines Ingenieurs aus der bürgerlichen Enge ihres Elternhauses aufgemacht, um sich der „einzigen, der ureigenen Sache“, der Malerei, uneingeschränkt zu widmen. Zunächst nach London, dann nach Berlin und immer wieder nach Paris. Immer wieder holten sie allerdings auch die alltäglichen Zwänge ein. Damals, als sie auf Wunsch des Vaters eine Lehrerinnenausbildung machte und nicht zuletzt in der Ehe mit Modersohn.

Es ist jener fortwährende Widerspruch zwischen Alltagsrealität und beharrlich gelebtem Traum, der sich bewegend, zuweilen sogar tragisch  in vielen Menschenbildern der um Unabhängigkeit kämpfenden Malerin ausdrückt. Die sehenswerte Luxemburger Ausstellung gibt einen interessanten, allerdings auch sehr sparsamen Einblick ins Werk der Malerin. Kaum ersichtlich sind ihre Farbmacht und die expressionistische Nähe. Etwas eindrücklicher hätte man sich die Hängung gewünscht. Recht überfüllt stellt sich die Schau zur Landschaftsmalerei  im Untergeschoss dar. Da wäre weniger mehr gewesen.

Die Ausstellung läuft bis 10. Juni. Geöffnet ist sie montags, mittwochs, donnerstags und am Wochenende von 10 bis 18 Uhr, freitags von 10 bis 21 Uhr; weitere Informationen unter Telefon  00352/47964900 oder www.villavauban.lu

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