Kultur „Was die Welt im Innersten zusammenhält“: Das zeigt die Foto-Austellung von Roland Fischer in Bitburg

Bitburg · Mit seiner aktuellen Foto-Ausstellung präsentiert das Haus Beda in Bitburg ein wahres Highlight.  Die eindrucksvollen Arbeiten  des renommierten Fotokünstlers Roland Fischer sind nicht  nur ansehnlich, sondern bieten auch jede Menge geistiger Anregung.

 Porträts sind ein großer Bestandteil des Werks von Roland Fischer.

Porträts sind ein großer Bestandteil des Werks von Roland Fischer.

Foto: Eva-Maria Reuther

Mit seiner neuen Ausstellung widmet sich das Bitburger Kulturzentrum Haus Beda einem Künstler, der schon zu Lebzeiten im Rang eines modernen Klassikers steht. In der Neuen Galerie im Erdgeschoss und den Stockwerken darüber werden Arbeiten des in München lebenden Fotokünstlers Roland Fischer gezeigt. Mehrfach waren Fischers Fotografien bereits in Luxemburg zu sehen. Dort ist er auch in der Sammlung des Mudam vertreten. Seit seinen frühen Arbeiten, den großformatigen Porträts von Mönchen und Nonnen hat sich das Werk des 1958 in Saarbrücken geborenen Künstlers stetig weiterentwickelt, was seine Motive angeht. Nicht verändert hat sich die Idee die Fischers Bilderwelt zugrunde liegt und die er ästhetisch eindrucksvoll augenscheinlich macht.

In seinen Fotografien reflektiert und analysiert er in der Struktur von Kollektiven und Architekturen den Zusammenhang und das Zusammenspiel von Individualität und Gesamtheit. Als komplexe Strukturen, deren Gefüge zahllose Einzelelemente im Innersten zusammenhalten und deren Erscheinungsbild sie prägen, stellen sich in Fischers Bilderwelt die Wirklichkeit und ihre Versatzstücke dar. Ob es sich nun um die menschliche Weltgesellschaft selbst handelt oder ihre gebaute Realität, die ihrerseits Ausdruck struktureller wie individueller und kollektiver Verhältnisse und Befindlichkeiten ist.

Wie der französische Philosoph Roland Barthes treffend feststellt, benötigen Fotografen stets ein „Ça était là“, soll heißen sie benötigen zunächst etwas, das sich als Motiv ablichten lässt, seien es vorhandene oder inszenierte Realitäten. So wie bei Fischers auch im Haus Beda gezeigten „Los Angeles Porträts“ oder den „Chinese Pool Portraits“. Deren Personal schaut zum Teil aus ätherischem Blau den Betrachter an. Allerdings nicht, wie man meinen könnte aus blauem Himmel, sondern aus eigens dafür gefüllten Wasserbecken. Zwei große Motivgruppen lassen sich im Werk des Fotografen ausmachen: Neben Architekturfotos sind es die zum großen Teil frontal aufgenommene Porträts, deren Detailgenauigkeit etwas von der vermeintlichen Wahrheit heutiger biometrischer Ausweisfotos hat. In den großformatigen Fotos von Mönchen, Männern und Frauen stellen sich einzigartige, sich selbst ermächtigende Individuen ganz unterschiedlicher Identitäten dar. Sie alle versammeln sich in Fischers Kollektivporträts zum Makrokosmos der Weltgesellschaft. Nicht anders verfährt Fischer in seinen Architekturfotos.

Als Strukturen aus Rhythmen und geometrischen Rastern macht der Kosmopolit, der lange in Peking lebte, die Fassaden der Hochhäuser von Banken oder internationalen Konzernen wahrnehmbar. Aufgenommen in aller Welt, haben sie sich längst von ihren konkreten Orten und Bedingungen hin zum Zeichen gelöst. Ebenso wie Fischers „Kathedralen“, deren Strukturen aus Licht, Verstrebungen, Formen und Ornamenten jegliche Plastizität und damit ihr einzigartige Erscheinungsbild wie ihre Funktion verloren haben. Statt wie bisher architektonische Strukturen als Regelwerk sichtbar zu machen, dekonstruiert sie der Fotograf in neuen Arbeiten wie „House of Art“. Dabei entstehen farbmächtige Bilder, die an kubistische Kompositionskonzepte erinnern. Ein wunderbar stiller feinsinniger Ausstellungssaal ist im zweiten Obergeschoss entstanden. Für die antiken Philosophen war die geometrische Form die geistige Form, in der sich die ganze Welt denken ließ. So jetzt auch unterm Dach im Haus Beda. Im dunkelbau gefassten Raum haben sich Fischers „Fassaden“ vollkommen von ihrer einstigen Materialität gelöst. Als abstrakte Bilder (mit durchaus kunstgeschichtlichen Referenzen) schaffen die geometrischen Raster mit ihren teilweise farbigen Feldern, ihren Zahlenzeichen, ihren Rhythmen und kinetischen Effekten, einen wunderbaren Denk-und Vorstellungsraum, der Geist und Sinne in Bewegung setzt hin zu neuen Weltmodellen und zur Durchdringung der alten.

Roland Fischer ist fraglos einer, der die Analyse zur Grundvoraussetzung von Verständnis und Veränderung macht. Trotz der augenscheinlichen Opulenz ist sein Werk ein hochabstraktes, das von der Bildhaftigkeit wie Verbildlichung des Gedanken lebt und von der Symbolkraft der Bilder. Es ist zudem ein hochaktuelles Werk in Zeiten der Identitätsdebatten, und des Diskurses über einen bekömmlichen Ausgleich von individuellen und gesellschaftlichen Ansprüchen. Fischers fotografische Zeichensprache hinterfragt Gesellschaften als Kollektiv, das gleichermaßen Gemeinsinn wie Individualraum ermöglichen muss. Nicht zuletzt steht in seinen Fotos menschliche Wahrnehmung zur Diskussion. Im Nebenraum des großen Ausstellungssaals enttarnt er mit Hilfe eines Zitats die augenscheinliche Plastizität von zweidimensionalen Bildern als „Halluzination.“ Schon wahr, dass solcherart Räumlichkeit durch im Gehirn verarbeitete Nervenimpulse entsteht. Entwertet ist sie deshalb nicht. Entscheidend ist die daraus folgende Sinngebung. Eine Ausstellung, die man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte.

  Aus einer Fischer-Reihe: „Los Angeles Porträt, Sogo Kobe“.

Aus einer Fischer-Reihe: „Los Angeles Porträt, Sogo Kobe“.

Foto: Roland Fischer VG Bild-Kunst Bonn 2022/Roland Fischer

Die Austellung von Roland Fischer im Haus Beda ist geöffnet bis zum 24. Juli, dienstags bis freitags von 15 bis 18 Uhr, samstags, sonn- und feiertags von 14 bis 18 Uhr.

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