Kammermusik Ausflug in die Konzertwirklichkeit

Trier · Grandiose Interpretationen vor 200 Besuchern und einen inhaltsreichen Workshop bot das 4. Kammerkonzert im Kurfürstlichen Palais in Trier.

 Das Orion Streichtrio im Konzert (von links): Benjamin-Gregor Smith, Violoncello, Soyoung Yoo, Violine, Veit Hertenstein, Viola.

Das Orion Streichtrio im Konzert (von links): Benjamin-Gregor Smith, Violoncello, Soyoung Yoo, Violine, Veit Hertenstein, Viola.

Foto: Martin Möller

 Ein ganz kleiner Moment des Schwankens, der Unklarheit –  dann ist das Orion Streichtrio im Kurfürstlichen Palais in Trier ganz bei der Musik. Die drei jungen Musiker verbinden  harmonisches Miteinander und offensive Energie zu Interpretationen von bestechender Logik. Es war im Palais eines der schönsten, der bewegendsten und gefühlsstärksten Konzerte der vergangenen Jahre.

Mozarts wunderbares und viel zu wenig beachtetes Es-Dur-Divertimento KV 563 von 1788, dem Jahr der „Jupiter-Sinfonie“ – die Orions geben ihm eine Vielzahl von Streicherfarben mit und dazu eine Gestaltungskraft, die beim konzentrierten Zuhören atemlos macht. Nichts klingt tändelnd und unverbindlich. In Werk und Interpretation dominiert ein tiefer Ernst. Die Orions fühlen sich ein in die diffizilen Stimmungsnuancen dieser großen Komposition. Sie greifen den geheimnisvollen Tonfall mitten im Kopfsatz auf. Wie wunderbar klingt bei ihnen der zweite Satz – romantisch sehnsüchtig und dann wieder diesseitig zupackend und in der Coda mit ungeheurer Dramatik! Wie viel fahle Trauer legen sie in den Moll-Abschnitt im „Andante“-Variationssatz! Welche Feinheiten im Tonfall unterscheiden bei ihnen die beiden Menuett-Sätze und die zugehörigen drei Trios!

Und das Finale, in dem etwas von den geistreichen Finalen Haydns mitklingt, es atmet Kraft und Entschlossenheit. Ein nachdrücklicher, ein sinfonischer Abschluss. Hochspannung unter den knapp 200 Besuchern und lauter Jubel.  Ja, es war richtig, die Pause zu verschieben und den ersten Teil im Konzert ganz diesem großen Mozart und dieser herrlichen Mozart-Interpretation zu überlassen.

Konnte danach überhaupt noch Musik kommen, die Mozarts Kunst halbwegs standhält? Aber auch wenn die folgenden Kompositionen nie den Rang des Es-Dur-Trios erreichen, die Interpreten brachten deren Schönheiten  hellhörig zum Klingen. Sie räumten die Notenpulte beiseite, rückten näher zusammen und entfalteten auswendig musizierend einen berückend flexiblen und harmonischen Interpretationsstil. Sie gaben dem Triosatz des 19-jährigen Schubert eine beklemmende Verbindung aus Idyllik und Tragik mit. Und nach Zoltan Kodálys klangfarbenreich und tänzerisch ausschwingend musiziertem Intermezzo machten sie Ernst von Dohnányis Serenade op. 10 zum zweiten Schwerpunkt im Konzert.

Keine Frage: 1902 wurde schon Avancierteres komponiert als diese romantisch-retrospektive Musik. Aber je tiefer das Orion Trio die knapp 200 Hörer in dieses Werk hineinführt, umso stärker überzeugt die Virtuosität, mit der Dohnányi  vergangene Tonsprachen aufgreift und neu formuliert. Das ist nicht unbedingt ein Fall für Begeisterung, aber doch einer für Respekt:  Alle Achtung! Da hat jemand sein Handwerk beherrscht!

Vor dem Konzert hatte im Kurfürstlichen Palais ein Workshop mit dem Orion Streichtrio und einem Trio aus Trierer Schülerinnen stattgefunden, mit einem Scherzo des schwedischen Romantikers Hermann Berens (1826-1880). Und so engagiert, wie sie später musizieren würden, so betreuten die Orion-Musiker  auch Geigerin Franziska Wonnebauer, Kim Brunner an der Bratsche und Cellistin Charlotte Wonnebauer – hochkonzentriert, immer wieder eingreifend und korrigierend. Und das vor allem mit einem Ziel: der Musik Profil und Charakter mitzugeben und alles Beiläufige auszuscheiden aus der Interpretation. Es war eine harte, eine intensive Arbeit an wenigen Takten. Aber das Ergebnis überzeugt. Und die drei spielten zur Konzert-Eröffnung den Scherzosatz von Berens komplett und bestanden diesen Ausflug in die Konzertwirklichkeit mit Bravour.

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