Buchtipp Lass krachen, Paul

„Lyrics“ von Paul McCartney ist eine Autobiografie in Geschichten. Und vielen, vielen Bildern.

 Paul McCartney, fotografiert im Jahr 2020 in Sussex von seiner Tochter Mary.

Paul McCartney, fotografiert im Jahr 2020 in Sussex von seiner Tochter Mary.

Foto: Verlag Beck/Mary McCartney

Uff, fassen wir zusammen. Zwei schwere Bände, 900 Seiten, 154 Songtexte aus 64 Jahren, zu jedem eine Hintergrundgeschichte und gut 600 Bilder: „Lyrics“ von Paul McCartney – und mit ein bisschen Beistand vom nordirischen Dichter Paul Muldoon – ist ein Kracher. Und steckt zum Glück in einem wirklich mal stabilen Schuber.

Ach, Sir Paul. Was hast du uns alles geschenkt. Mit den Beatles und, jawohl, auch danach (gut, ein paar dieser Geschenke hätten wir nicht gebraucht „Ebony and Ivory“ mit Stevie Wonder. „Mull of Kintyre“, schlimm quälender Ohrwurm. Fällt alles nicht ins Gewicht). Nehmen wir allein „Band on the Run“, vom gleichnamigen Album 1973: Andere würden die musikalischen Ideen, die allein in diesem Song stecken, auf mindestens fünf Lieder strecken. Manch einer hat seine gesamte Karriere auf deutlich weniger Kreativität aufgebaut. Und, Riesensprung jetzt, mit „Egypt Station“ von 2018 hat McCartney fast 60 Jahre nach Beginn seiner Musikerlaufbahn noch einmal ein richtig starkes Album veröffentlicht, das soll ihm mal jemand nachmachen.

Pardon, wir gerieten ins Schwelgen, reißen wir uns zusammen, „Lyrics“ also: Die Texte des Ex-Beatles und Solokünstlers allein würden natürlich ein solches – wirklich sehr schön geratenes – Riesenwerk nicht rechtfertigen. Fans haben sie sowieso drauf, alle anderen können sie zu Internetzeiten überall nachlesen. Und zweitens heißen Songtexte auf Englisch zwar „Lyrics“, was aber nicht bedeutet, dass sich dahinter (Obladi-Oblada) immer hochstehende Dichtkunst verbirgt.

Zudem hat sich McCartney selbst immer wieder dazu bekannt, dass das manchmal durchaus sinnloses Zeug sei, was er da von sich gebe: Hauptsache, man habe ein paar Wörter, die sich gut singen lassen.

Ein Beispiel? „Jet“, einer seiner frühen Hits mit seiner Band Wings, ebenfalls 1973. Den Textsinn zu verstehen ist nahezu unmöglich. „Jet“ war zunächst einmal nur der Name des Shetlandponys, das McCartney und seine Frau Linda für die Kinder auf ihrer schottischen Farm hielten (Offenbar hat sich die Pony-Geschichte durchgesetzt. Sie hatten nämlich auch einen Labrador gleichen Namens). „Aber die Information, dass Jet ein Pony war, ist genauso wichtig oder unwichtig wie die, dass Martha aus ,Martha My Dear‘ ein Bobtail war“, schreibt McCartney. Und erzählt dann weiter, wie der Song entstanden ist, mit allen spontanen Assoziationen und Bezügen, die ihm dabei für den Text durch den Kopf gingen. Bis hin zum „Sergeant Major“ und den Suffragetten, den Kämpferinnen fürs Frauenwahlrecht. „Es klang albern, also gefiel es mir“, hat er an anderer Stelle gesagt. Es ist ... herrlicher Quatsch. Und ein fantastischer Song.

 "Lyrics" von Paul McCartney.

"Lyrics" von Paul McCartney.

Foto: CH Beck

Neben den hinreißenden Fotos, viele bislang nie veröffentlicht (sagten wir schon, dass es zwei wirklich toll geratene Bände sind?), interessieren hier vor allem die Geschichten, die Macca zu den Songs erzählt, und da macht er uns manche auch sehr private, persönliche Tür auf. „Lyrics“ wird auf diese Weise zum zutiefst autobiografischen Buch, in dem man übrigens auch, das ist in den bisherigen Rezensionen kaum berücksichtigt worden, viel übers Komponieren erfährt, auch wenn der vordergründige Anlass hier die Texte sind. Und das macht „Lyrics“ nicht nur zu einem Top-Geschenk für Beatles- oder McCartney-Fans. Sondern auch für Musiker und vor allem solche, die sich mit dem Songschreiben befassen und sich immer wieder fragen, wie McCartney und John Lennon das damals nur gemacht haben.

Paul McCartney: Lyrics. Zwei Bände im Schuber, 900 Seiten, CH Beck, 78 Euro.    

 Paul McCartney bei einem Auftritt 2017 in den USA.  Foto: Rob Grabowski/dpa

Paul McCartney bei einem Auftritt 2017 in den USA.  Foto: Rob Grabowski/dpa

Foto: dpa/Rob Grabowski

PS: Zur Dokumentation „Get Back“ von Regisseur Peter Jackson  über die Aufnahmen zu „Let It Be“ 1969 (aktuell bei Disney+) ist ebenfalls ein schöner Bildband erschienen, in dem man die Gespräche der Beatles während dieser nicht ganz spannungsfreien Wochen nachlesen kann. Heißt ebenfalls „Get Back“. Droemer Knaur. 240 Seiten, viele Fotos, 44 Euro.

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