Theater Trier So skurril war Weihnachten noch nie
Trier · Das Bürgertheater interpretiert in der letzten Premiere am Theater Trier in dieser Spielzeit die Theorien von Karl Marx – abgedreht und komödiantisch.
„Ein Gespenst geht um in Europa ...“ Und in Trier. Das Gespenst des Kommunismus. Es hat sich auf der Deutschen Heiligstes gelegt: das Weihnachtsfest. Immer wieder lugt es hervor, spielt sich in den Vordergrund, dominiert jedes Gespräch.
Weihnachten? Mitten im Sommer? Ja: Kommunismus, lateinisch communis, heißt so viel wie gemeinsam. Und das Äquivalent für Gemeinsamkeit ist – genau: das Weihnachtsfest. Dann kommt die ganze Familie friedlich zusammen. Naja, fast. Denn der marxistische Vater ist jüngst gestorben; die Tochter (Hanna Matthiesen) will lieber ihr Kapital mehren.
Auch von Frieden kann nicht die Rede sein. Dieser Wunsch der Witwe Klaudia (Schauer) verpufft schnell bei den streitlustigen Familienmitgliedern aus verschiedensten Verhältnissen: Öko-Schwester (total überdreht: Charlotte Kleinwächter), Gewerkschafter-Schwager (aufrührerisch: Bernhard Riedel), dem kommunistischen Dreigestirn (Hildegard Worst, Carla Schött, Petra Klink), dem Pharmakapitalisten (Georg Meyer), seiner Künstlerfrau (Ija Daubenspeck), dem Nazineffen (höchst überzeugend: Matej Rehor), der kapitalistischen Schwägerin mit Sohn (Ruth Mareien de Bueno, Saher Abdulraouf). Die Großfamilie zofft sich, was das Zeug hält. Nicht über die kleinen Befindlichkeiten, sondern mit Marx‘ Gedanken über und gegen ihn – frei nach dem französischen Philosophen Jacques Derrida, der dem Stück des Bürgertheaters der Sparte 0.1 am Theater Trier seinen Namen gab: „Marx Gespenster“. Da fliegen den 60 Zuschauern im Studio Marx‘sche und Post-Marx‘sche Theorien, Mehrwert und Tauschwert, Basis und Überbau um die Ohren. All das höchst unterhaltsam und urkomisch.
Die normalsten unter allen sind Tochter – herzallerliebst, wie Inken Janßen auf Kleinkind macht – und Sohn. Lethargisch schlurft Mohamed Kushari durch den Raum, lässt trockene Kommentare ab und giggelt wie bekifft an den unpassendsten Stellen. So richtig skurril wird’s mit dem ökologisch-sozialen Tannenbaum (Veronika Ziegelmayer) nebst syrischem Nazi (Khaled Youssef) und Pflegerin (Karin Strieker) sowie sozialistischen Texten zu bekannten Weihnachtsliedern.
Grundlage für das Stück sei die Auseinandersetzung mit der Theorie von Karl Marx und dessen Erben wie Derrida, Michel Foucault und Judith Butler gewesen, sagt Regisseur Marc-Bernhard Gleißner. Die Gruppe habe die Texte in aktuellen Bezug gesetzt und nach passenden Alltagssituationen gesucht. In Szene gesetzt sind sie in einem Weihnachtsfest einer Familie, die über Marx streitet und zeigt, dass sein Erbe irgendwie doch gespenstisch bleibt.
Weitere Termine: 28. und 29. Juni, 19.30 Uhr, Theaterstudio. Karten: 14 Euro.