Kabarett Der Mann, dem man nichts übelnimmt

Trier · Einen Text mit einer Warnung zu beginnen, ist ungewöhnlich, aber in diesem Fall notwendig: Achtung, wer keine Satire versteht oder einen Groll gegen die saarländische Sprache hegt, der sollte jetzt aufhören zu lesen.

  Unverkennbar:  Heinz ­Becker bringt das ­Publikum in der Europahalle in Trier zum Lachen – ohne viel ­Action.

Unverkennbar: Heinz ­Becker bringt das ­Publikum in der Europahalle in Trier zum Lachen – ohne viel ­Action.

Foto: Christian Thome

Für alle anderen hat Gerd Dudenhöffer die Europahalle Trier mit in das persönliche Leben seiner Kultfigur Heinz Becker zu nehmen. In dieser Rolle – so hat man das Gefühl – darf er alles. Sein aktuelles Bühnenprogramm „Dejá Vu“ steht unter dem Credo: „Wemma net lache dät, wärs a traurig“ (wenn man nicht lachen würde, wäre es auch traurig).

Verschiedenste Tabu-Themen finden den Weg vom Klappstuhl in die volle Europahalle. Auf diesem sitzt Becker, unverkennbar gekleidet. Das rot-karierte Hemd, die Jeans, die Hosenträger und die „Batschkapp“, sein wichtigstes Erkennungsmerkmal, versetzen das Publikum schon in Ekstase, bevor der Kabarettist ein Wort sagt. Als er dann spricht, wird deutlich: Niemand sonst könnte es schaffen,  dem Saarländischen derartigen Kultstatus zu verschaffen. Egal was er sagt, man kann es ihm nicht übelnehmen. Diesen Vorteil der charmanten, aber schonungslosen Art hat er vielen anderen Satirikern gegenüber voraus.

Und dennoch: Ab und an mischt sich das Lachen des Publikums mit dem bekannten Raunen, das immer ein Art Scham vor dem eigenen Humor wiederspigelt. Wenn Becker sagt, dass bei einem beißenden Pitbull nie das Kind eingeschläfert werde oder dass es im Vergleich zu heute früher nicht um schwul oder lesbisch ging, sondern allein darum, ob eine Frau katholisch oder evangelisch sei und ob sie kochen könne, dann schmeckt diese harte Kost dem Zuhörer aufgrund der charmanten Zubereitung trotzdem sehr gut. Wemma net lache däte, wärs a traurig.

Becker braucht keine Action. Er braucht kein Herumhüpfen auf der Bühne und keine übertriebene Darstellung seiner selbst. Was er braucht, ist seine Kappe – und seine Frau Hilde. Auch die Gattin aus der Kult-Serie „Familie Heinz Becker“ findet immer wieder in den Erzählungen den Weg in die Europahalle. Wenn Becker diese Dialoge spielt, dann sieht man seine Frau förmlich vor sich, ohne dass sie  auf der Bühne steht.

Auch das Aufregerthema Nummer eins, die Flüchtlingspolitik, steht auf dem Programm. Die Tatsache, dass viele Migranten gut ausgebildet seien, kontert der Satiriker: „Was bringt e mir das, wenn de Inbrecher Abidur hot?“ Auf Saarländisch klingt diese eigentlich harte Aussage wie vom netten Nachbarn nebenan, mit dem man am Stammtisch sitzt.

An jenem beschäftigt Becker und seine imaginären Kollegen besonders ein Thema: Sex und Liebe im Alter. Dinge wie „Ich liebe dich“ habe er doch früher nicht zu seiner Frau gesagt. Sex sei sowieso eine  Zeitverschwendung: „Hann die Leit daheem nix ze schaffe?“, fragt Becker und fügt ein ebenso lockeres wie typisches „geh fort“ an. Das für die Zuhörer kritischste Thema ist das mit den meisten Lachern. Hitlers Frisur sei ja nicht so schlecht gewesen: „Der hot sauwer die Hoor geschnid gehott“.

Außerdem benutze der Neger – oder wie Becker sagt „Nescher“ – seine Hautfarbe wie einen Schwerbehindertenausweis. „Wie ma’s macht, macht ma’s verkehrt“, sagt er. „Gebbt ma ihne keine Arwet, diskriminiert man se. Gebbt ma ihne Arwet, dann hescht es: ‚Der losst de Bimbo hoppse’.“ Außerdem vergleicht er den Holocaust mit dem Wembley-Tor und holländischen Wohnwagen („So hott halt jedes Land sei Schandflecke“). All das darf er, keiner zweifelt daran. Wemma net lache dät, wärs a traurig.

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