Die Kulturwoche, betrachtet von Rainer Nolden Ein Lob für die Schönen, eine Chance für die Fähigen

Vor langer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, galt München als „heimliche Hauptstadt“ Deutschlands. Bonn war, na ja, eine kleine Stadt am Rhein, und Berlin weit weg hinter einer hohen Grenze, eine Insel im roten Meer, auf der sich die Einwohner jeder Kontrolle entzogen (kein Kneipenschluss um Mitternacht!

 In München wird Kultur großgeschrieben. Diese Mohnblumen sind Teil der Installation „Never again“ am Münchner Königsplatz, die Aktionskünstler Kuhn im November zum 100-jährigen Ende des Ersten Weltkriegs gestaltete.

In München wird Kultur großgeschrieben. Diese Mohnblumen sind Teil der Installation „Never again“ am Münchner Königsplatz, die Aktionskünstler Kuhn im November zum 100-jährigen Ende des Ersten Weltkriegs gestaltete.

Foto: picture alliance/dpa/Matthias Balk

Kein Wehrdienst!). Inzwischen, wo Berlin zum Leidwesen nicht nur vieler Berliner wieder Kapitale ist, spricht von München als Hauptstadt kein Mensch mehr. Umso größer muss die Freude der Münchner sein, dass sie den Hauptstädtern wieder mal eins auswischen können – und zwar  mit Hilfe der New York Times. Die hat im Reiseteil ihrer aktuellen Ausgabe die 50 Städte, die man 2019 unbedingt besuchen muss, die bayerische Landeshauptstadt (immerhin) auf Platz fünf ihrer Favoritenliste gesetzt. Unter der Überschrift „Theater. Kunst. Oper. Was will man mehr?“ kommt das Blatt zu dem Schluss, dass München unter kulturellen Gesichtspunkten kaum zu schlagen ist (sorry, Berlin, aber du kannst jetzt nur noch eine Faust in der Tasche machen und dich schmollend nach Prenzlauer zurückziehen). Die Münchner Theater seien die kreativsten und produktivsten in Europa, schreibt die NYT, und die Bayerische Staatsoper sei ohnehin europäische Spitzenklasse. Weiter unten, zwischen den Falkland-Inseln und Gambia, die als „gefährdete Orte“ katalogisiert werden, landet auch Dessau mit Nr. 26 auf einem durchaus beachtlichen Platz im Mittelfeld – allerdings nur dank dem Bauhaus, das in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag feiert. Und Berlin? Wird nicht einmal als Fußnote erwähnt.

„If you can’t beat them, join them“ – wenn du einen Feind nicht schlagen kannst, mach ihn zu deinem Verbündeten, sagen die Briten  (obwohl die, was vernünftiges Verhalten angeht, im Moment nicht gerade ein nachahmenswertes Vorbild sind). Das sollten sich Geschädigte wie Verantwortliche überlegen, die „Opfer“ eines 20-jährigen Hackers aus dem hessischen Homberg geworden sind. Der Knabe hat sein Kinderzimmer noch unterm Dach im Haus seiner Eltern, von wo aus er die Welt mit Infos über Promis und Politiker versorgte, die diese naturgemäß lieber für sich behalten. Zugegeben, das ist nicht korrekt, weder politisch noch sonstwie, und wenn einer sauer über „die da oben“ ist, kann er ja selber in die Politik gehen oder zumindest Leserbriefe schreiben. Martin Schulz gehört zu den Opfern, die das gar nicht lustig finden, wie er in den „Tagesthemen“ sagte, wo er die Aura eines getretenen Dackels verbreitete (okay, das ist jetzt auch nicht wirklich etwas Neues). Aber wenn sich erst mal die Wogen der Empörung über dieses Info-Leak gelegt haben und der Puls bei den Betroffenen wieder normal schlägt, sollte man sich mit einem Tässchen Beruhigungstee mal auf die Polstergruppe zurückziehen und nachdenken. Statt dem Jungen jetzt mit der Keule der vollen Staatsgewalt zu drohen und ihm seine restlichen schätzungsweise 60 bis 70 Jahre zu vermasseln, könnte man seine Talente doch auch nutzbringend in die eigenen Ziele einpflegen. Dorothee Bär, Staatsministerin fürs Digitale, die ja, bei allem Respekt, keinen wirklich furchtbar kompetenten Eindruck macht, wenn man sie über ihren Job reden hört, könnte dem Computer-Nerd, wenn er seine Strafe verbüßt hat (entweder in einer Zelle oder mit 500 Sozialstunden), doch zumindest ein unbezahltes Praktikum in ihrem Büro anbieten. (Nur mal nebenbei: Katholische Pfarrer, die sich mit kleinen Jungs vergnügen, wurden schließlich auch jahrelang nicht bestraft, sondern versetzt, damit sie weitermachen konnten – zumal sie ja einen Beruf ausüben, bei dem die Bewerber nicht gerade Schlange stehen.) Natürlich wird Frau Bär den jungen Mann nicht einstellen, damit er illegal rumhackt. Aber wer diese Kunst beherrscht, weiß schließlich auch, wie andere Hacker ticken und kann ihnen prophylaktisch ins Handwerk pfuschen. Möglicherweise müssten sich dann die Kollegen in China und Russland zumindest ein bisschen wärmer anziehen, wenn sie sich das nächste Mal im Netz Richtung Westen bewegen. Rainer Nolden

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