Unterm Strich – die Kulturwoche Die Sprache der Farben

Rot also. Eine Signalfarbe. Rot ist die Farbe der Linken (Europa), der Demokraten (Amerika) und der Liebe (in aller Welt). Ob da jetzt ein tieferer Zusammenhang besteht, kann an dieser Stelle nicht erschöpfend geklärt werden.

 US-First Lady Melania Trump präsentiert die mit roten Formbäumen geschmückte Ost-Kolonnade des Weißen Hauses.

US-First Lady Melania Trump präsentiert die mit roten Formbäumen geschmückte Ost-Kolonnade des Weißen Hauses.

Foto: dpa/Andrea Hanks

Muss ja auch nicht. Interessant ist allerdings, für welche Farbe der Weihnachtsdekoration sich die FLOTUS, als die „First Lady of the United States“) entschieden hat: Blutrot. Es sieht gruselig aus – als hätte sich Jack Torrance alias Jack Nicholson aus seinem einsamen Berghotel nach Washington aufgemacht, um in den Fluren des einstmals ehrwürdigen Regierungssitzes ein Blutbad anzurichten: „Shining“ in DC sozusagen. Kein Wunder, dass der Festtagsschmuck im Netz bereits Hohn und Häme auf sich gezogen hat und immer noch zieht. Doch gemach! Wir wollen nicht vorschnell über die Dame urteilen, die das Braun des Kakaos, durch den sie regelmäßig gezogen wird, gar nicht mehr von der Haut kriegen kann. Nehmen wir doch zu ihren Gunsten mal an, die Gattin und einfache Mutter möchte mit ihrer Wahl nur ein unmissverständliches Signal in die Welt hinaussenden.

Rot, wir sagten es zu Beginn, ist in den USA die Farbe der Demokraten. Die Republikaner hüllen sich seit Jahrzehnten in das Blau ihrer Flagge (die Farben wurden den Parteien übrigens mit Beginn des Farbfernsehens in der 1960er Jahren zugeteilt – ganz offensichtlich ohne Rücksicht auf ihre europäischen Traditionen). Dass Mrs. Trump sich bei der Weihnachtsdeko jetzt ausgerechnet für die Farbe der Gegner und (Vaterlands-)Feinde ihres Gatten entschieden hat, könnte auch als eindeutiges Statement gegen den Mann aufgefasst werden, dem der Wind von allen Seiten stärker ins Gesicht bläst und das orangefarbene Toupet verwuselt. Und jetzt auch noch aus der eigenen Familie – und ausgerechnet zur Weihnachtszeit. Die versteckte Botschaft der blutenden Weihnachtsbäume könnte also bedeuten: „Hi, demokratische und weltoffene Amerikaner, werdet nicht mutlos. Ich stehe auf Eurer Seite. Er hat es nur noch nicht gemerkt. Außerdem ist er ohnehin zu blöd, die Symbolkraft der Farben zu deuten.“ Gleichzeitig konnte Mrs. Trump natürlich auch davon ausgehen, dass dieses eklige Rot sehr gut zur vulgären Geschmacklosigkeit des Ehemannes passt, der sich ja am liebsten mit Blattgold umgibt. Wir erinnern uns: Das Guggenheim-Museum hatte ihm ja statt des gewünschten Van-Gogh-Gemäldes (woher kennt er bloß dessen Namen???) als Leihgabe ein goldenes Klo angeboten, geschaffen vom Italiener (!) Maurizio Cattelan und rund eine Million Dollar wert. Außerdem trägt es den Titel „America“ und nicht, wie es vielleicht schmeichelhafter gewesen wäre, „Donald“. Dann hätte er bestimmt zugegriffen.

Zum Blau gibt es allerdings auch noch etwas zu sagen: Hierzulande ist sie nicht nur die Farbe der Romantik (und seltsamerweise auch die der AfD, die offenbar aus unverbesserlichen Romantikern besteht), sondern jetzt als „Blaudruck“, eine auch in Deutschland verwendete jahrhundertealte Technik der Textilveredelung, von der Unesco zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt worden. Ebenso wie der Reggae, jene Musikrichtung, die in Jamaica ihren Ursprung hat, einem jener Länder, das der feinsinnige Despot aus dem Weißen Haus gern als „Shithole-Country“ bezeichnet. Damit schließt sich also der Kreis, wenn auch auf zugegebenermaßen etwas verschlungenen Pfaden. Aber das Leben verläuft nun mal nicht geradlinig. Womit wir wohl behaupten dürfen, dass diese Kolumne ein getreues Abbild ebenjenes ist. no/dpa

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