Aufgeschlagen – neue Bücher Ein Dorf, ein hungriger Fluss und die Geister der Vergangenheit

Die Seine ist in Paris romantische Kulisse für Verliebte. In Vieux-Port, ein paar Hundert Kilometer weiter nördlich, sieht es ganz anders aus. Da ist der Fluss ein Stück Natur, gewaltig manchmal, reißend und bedrohlich.

Aufgeschlagen – neue Bücher: Ein Dorf, ein hungriger Fluss und die Geister der Vergangenheit
Foto: dtv

Urtümlich. Und wenn ein Bewohner des 48-Einwohner-Kaffs dann plötzlich tot am Ufer treibt, dann wird sie gar ein Wesen, „der hungrige Fluss“, an dem der wahrhaftige Teufel seine Finger im Spiel hat. Der vierte Normandie-Krimi des Fernsehjournalisten Benjamin Cors bringt auch denjenigen, die noch nie in dieser Gegend waren, Landschaft und Leute nahe. Wo Tauben Ayleen heißen und Kröten Individuen sind, verschwinden darin der Pfarrer und der Pensionsbesitzer. Die Angst geht um im Dorf. Der Unheil ahnende Bürgermeister verspricht sich einen Ausweg allein von Nicolas Guerlain, dem cleveren, fixen Personenschützer, den er eigens in Paris aufsucht und um Hilfe anfleht. Doch der ist in Diensten des französischen Präsidenten, kein Ermittler. Angeblich „der beste Personenschützer überhaupt“.

Dass Guerlain in Vieux-Port auftaucht, hat auch mit dem Fall des vorigen Krimis zu tun, der ihn und die Polizei von Deauville schon einmal zusammengeführt hat. Obendrein ist der smarte Security-Man auch noch privat verwickelt, seine Geliebte sitzt nach einem tödlichen Polizeieinsatz in der Drogenszene im Knast, sie muss mit einer jahrelangen Haftstrafe rechnen. Auf abenteuerliche Weise versucht Nicolas, den Prozess in Paris zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Dabei gerät er selbst in den Strudel einer lange zurückliegenden persönlichen Geschichte.

Eigentlich sind es zwei Krimis, die über die Hauptperson verklammert sind, in beiden lauert Vergangenheit, die nicht vergehen will, in beiden entfaltet sie eine zerstörerische Kraft. Cors springt zwischen den Storys hin und her, wobei er raffiniert Spuren auslegt oder Fakten vorwegnimmt, die die Spannung hochhalten. Hier Paris, die Politik, der Personenschutz – dort das Dorf, die Normandie, die Morde und die Einöde. Wer Monsieur Guerlain noch nicht kennt, für den mag es leichter sein, mit einem der früheren Krimis zu beginnen, denn dieser vierte bezieht sich stark auf die Vorgeschichte, ohne diese komplett zu erklären. Im Anschluss macht „Leuchtfeuer“ dann aber umso mehr Vergnügen: die flüssige Sprache, poetische Einfälle, skurrile Perspektiven wie der Flug einer Taube über den Ärmelkanal oder die Eindrücke einer Kröte am Ufer der Seine, eine flotte, teils rattenschnelle Handlung und dazu eine gehörige Portion Humor.  Was will man mehr?

Anne Heucher

Benjamin Cors. Leuchtfeuer. Ein Normandie-Krimi, dtv 2018, 15,90 Euro.

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