Musik Ein großes Experiment: Mosel-Musikfestival startet

Trier · Kreative Formate, virtuelle Räume – mit der Installation der Lautten Comgagney geht es am Donnerstag los.

„Das gesamte Programm ist uns ja weggebrochen“, sagt Tobias Scharfenberger. Dabei klingt der Intendant des Mosel-Musikfestivals im Vergleich zum fast katastrophalen Inhalt seiner Feststellung erstaunlich unaufgeregt. Offenbar ist die schwierige Situation der Kultur in Corona-Zeiten ein Motor für neue Kreativität geworden. Die gehört ohnehin untrennbar zur Kultur, auch wenn manch einer das gelegentlich vergisst. Scharfenberger und sein Team haben erstaunlich rasch und konsequent auf die neue Situation reagiert. Sie haben neue Formate erfunden, arbeiten nun computer-gestützt mit virtuellen Räumen und erledigen damit auch das Haupthindernis für Kultur in Corona-Zeiten: die unsichere und fast immer zu geringe Zahl benutzbarer Sitzplätze. Im Format „Kopfhörer“ und unter dem Titel „Circle Line“ haben sich Wolfgang Katschner und seine angesehene Berliner „Lautten Compagney“ eine optische Installation ausgedacht, die das ehrwürdige Trierer Landesmuseum buchstäblich in neuem Licht präsentiert (6. August). Und im zugehörigen Musikprogramm, das von der CD abgespielt wird und trotzdem Authentizität für sich beansprucht, vollführen die Interpreten mit Musik von Renaissance-Komponist Guillaume Dufay und Minimal-Musiker Philip Glass einen Brückenschlag vom 15. zum 20. Jahrhundert. Das Publikum sitzt dabei nicht fest auf den Plätzen, sondern bleibt in Bewegung. Wandelkonzert nannte man das einmal.

Zum Ausgleich läuft das Programm am 6. August gleich dreimal ab: Um 18 Uhr, 19.30 Uhr und 21 Uhr. Tags darauf präsentieren Elisabeth Schilling und ihre Tanzcompany unter dem Titel „Hear Eyes Move“ eine intelligente Choreographie zur Musik von György Ligeti (7. 8.). Und nur einen Tag später erweist das Festival mit einem Konzert im Format „RollingTones“ dem Jubilar des Jahres seine gebührende Reverenz –selbstverständlich live. In der Trierer Abteikirche St. Maximin erklingt Beethovens bedeutender und viel zu selten aufgeführter Liederkreis „An die ferne Geliebte“. Der gilt als erster Lied-Zyklus in der Musikgeschichte überhaupt. Intendant Scharfenberger selber wird die bedeutenden und konstruktiv höchst durchdachten Lieder sängerisch interpretieren. „Mich hat das spannungsvolle Miteinander von räumlicher Entfernung und persönlicher Nähe in dieser Musik schon sehr früh fasziniert“, sagt Scharfenberger. Begleitet wird er vom Pianisten Nuron Mukumi. Der gehört zu den bemerkenswertesten Entdeckungen der jüngsten Zeit. Mukumi spielt außerdem drei Schubert-Lieder in der Klavierfassung von Franz Liszt („Gretchen am Spinnrad“, „Der Müller und der Bach“, „Aufenthalt“) und beschließt den Abend mit Beethovens Klaviersonate „Appassionata“ (8. August, 17 Uhr und 20 Uhr).

Mit diesem Start hat das Mosel-Musikfestival sein Potenzial keineswegs ausgeschöpft. Auch unter den Titeln „Hörgenießen“ und „Sommersprossen“ erwarten weitere Veranstaltungen ihre Gäste – mal kulinarisch, mal experimentell, mal sogar kindgerecht und immer spannend und lebendig.

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