Kulturmacher Mit Kleinarbeit zu königlichem Klang

Der Luxemburger baut, repariert, kauft und verkauft Cembali und hat dabei das Hobby zum Beruf gemacht.

 Cembalobauer Frank Daro. Foto: Martin Möller

Cembalobauer Frank Daro. Foto: Martin Möller

Foto: Martin Möller

Frank Daro ist kein Freund großer Worte. Wenn er in seiner Werkstatt im luxemburgischen Remerschen seine Cembali vorstellt, dann klingt etwas Unprätentiöses, beinahe Nüchternes mit. „Ein Instrument der Mittelklasse“ sagt er und weist auf ein  Cembalo, zweimanualig, also mit zwei Tastaturen und einer edlen Rot-Schwarz-Kombination bei Korpus und Beinen. Und wenn er dann den Deckel aufklappt und den Blick auf die Saitenchöre freigibt mit ihrem metallischen Glanz, dann entfaltet dieses Instrument eine optische und akustische Noblesse, die Daros eigene Einstufung in die Mittelklasse vergessen macht.

Das Cembalo gilt als Vorläufer des Klaviers. Diese Feststellung stimmt und stimmt doch wieder nicht. Äußerlich gleicht es einem Konzertflügel – etwas kleiner vielleicht und nicht so wuchtig wie die Flügel, die fast alle Konzertpodien bevölkern. Selbstverständlich sind Klavier und Cembalo beide Tasteninstrumente. Und selbstverständlich gehen Ende des 18. Jahrhunderts Cembalomusik und Klaviermusik ineinander über. Aber in der Ton-Erzeugung sind die Differenzen erheblich. Während die Klaviermechanik, verkürzt formuliert, aus Hämmern besteht, die Saiten anschlagen, werden beim Cembalo die Saiten durch Kiele angerissen an – früher aus Rabenfedern, heute aus speziellem Plastik. Das Resultat steht der Gitarre weitaus näher als dem Klavier. Und noch etwas unterscheidet die Instrumente. Während bei Klavieren Lautstärke- und Klangabstufungen realisierbar sind, lassen sich beim Cembalo Lautstärke und Klang nur stufenweise verändern. Grund genug für Cembalisten, diese Fixierung durch lebendiges Musizieren auszugleichen. Eins ist dabei ganz klar: Bei Barockmusik ist der Cembaloklang durch ein modernes Klavier nicht zu ersetzen. Da entfalten gute Cembali einen wahrhaft königlichen Glanz.

Das Cembalo und die  Kompositionen von Bach, Händel und Telemann, Corelli und Vivaldi, sie gehören zusammen. Und doch beschränkt sich das Repertoire nicht auf historische Musik. Auch im 20. und 21. Jahrhundert wurde für Cembalo komponiert. Berühmt ist György Ligetis „Continuum für Cembalo solo“ aus den 1960er Jahren. Immer wieder haben Komponisten den Reiz des Cembaloklangs umgesetzt. Ganz aktuell arbeitet der Trierer Joachim Reidenbach an einem Nonett für acht Holzbläser und Orgel oder Cembalo und hat dabei ganz sicher den Cembaloklang im Ohr. In solchen Fällen verabschiedet sich das Cembalo von der Musikgeschichte und wird brennend aktuell.

Wer Cembali baut, hat allerlei zu beachten: die Holzsorten (meist Fichte, Pappel oder Buche), die Holzqualität, die Lagerzeit für die Hölzer, Material und Qualität der Kiele, das Material der Saiten (meist englisches Eisen und Messing). Und doch: Ein Cembalo ist nicht nur ein Fall für die Instrumentenbauer. Es ist auch ein dankbares Objekt für Malerei. Das edle, aber auch etwas triste Schwarz der Konzertflügel ist bei Cembali schon längst passé, und das Nussbraun der Fabrik-Instrumente aus dem 1950er und 1960er Jahren gleichfalls. Heute halten sich Cembalobauer an die originale Optik. Wo die Instrumentenbauer arbeiteten, waren die Maler und Gestalter nicht fern. Bei manchen Instrumenten wurde in die Innenseite des Deckels sogar eine komplette Landschaft gemalt. So wurden sie zu barocken Gesamtkunstwerken: glanzvoll im Klang, kostbar in der Ausstattung. Und selbst bei sparsamerer Gestalt  bleibt es bis heute ein erhebendes Gefühl, sich an die Tastatur zu setzen und die herrliche Musik von Girolamo Frescobaldi oder Louis und Francois Couperin, von Händel oder Bach zum Klingen zu bringen.

Frank Daro ist von Hause aus weder Cembalist noch Cembalobauer. Aber die Intensität, mit der er sich in das anfangs entlegene Gebiet  von Cembalobau und Cembalomusizieren eingearbeitet hat, ist beispielhaft. Kaum glaublich, dass dieser Mann, der feinste akustische Details liebevoll und spannend beschreiben kann, einmal Ingenieur bei der luxemburgischen Eisenbahn war. Im Jahr 2012 hat er sich selbstständig gemacht. 2015 ist er nach Remerschen umgezogen. Anfangs arbeitet er noch unter den  Fittichen des renommierten Berliner Cembalobauers Matthias Kramer. Aber Daro hat sich rasch emanzipiert, hat in der Bautechnik einige neue Wege gefunden, hat Verbindung aufgenommen  zu Cembalisten und Cembalistinnen der Region, vermietet und verkauft, repariert und inspiziert. Konzertveranstalter wie die Luxemburger Philharmonie oder das Mosel Musikfestival greifen bei Bedarf auf Daro zurück. Ein zweimanualiges Cembalo guter Qualität liegt preislich bei knapp 30 000 Euro, ein einmanualiges bei rund 15 000.

Große Sprünge kann sich der Cembalo­bauer dennoch nicht leisten. Schon der Zahl nach sind seine Möglichkeiten begrenzt. Fünf Instrumente stehen in seiner Werkstatt und in dem etwas improvisierten Ausstellungsraum in seinem luxemburgischen Wohnort  Remerschen, zwei sind Privatsache, zwei weitere sind vermietet und damit unterwegs. Das sind insgesamt gerade mal neun Cembali. Und doch: Mit dem Cembalobau und in seinem neuen Heim an der Obermosel hat Frank Daro sein Ziel erreicht. Er hat die Umgebung gefunden, in der er glücklich ist.

 Edles Aussehen, königlicher Klang: Ein Cembalo im italienischen Stil von Frank Daro. Der Luxemburger hat damit seine Leidenschaft zum Beruf gemacht.

Edles Aussehen, königlicher Klang: Ein Cembalo im italienischen Stil von Frank Daro. Der Luxemburger hat damit seine Leidenschaft zum Beruf gemacht.

Foto: Frank Daro

Martin Möller

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