Buenos Aires/Luxemburg Es geht eine Tote auf Reisen - Musical „Evita“ im Grand Théâtre in Luxemburg

Buenos Aires/Luxemburg · Andrew Lloyd Webbers Musical „Evita“ feiert am 19. Dezember im Grand Théâtre in Luxemburg Premiere. So berühmt die Geschichte der legendären Eva Peron ist, so wenig bekannt ist der Verbleib nach ihrem Tod.

 So sah sie aus, die legendäre Eva Peron. Die Bilder unzähliger Musical-Darsteller überlagern oft das der echten Evita.

So sah sie aus, die legendäre Eva Peron. Die Bilder unzähliger Musical-Darsteller überlagern oft das der echten Evita.

Foto: picture alliance / dpa/Nina Marciano Comunicactions / H

Andrew Lloyd Webbers „Evita“, 1978 uraufgeführt, gehört längst zu den modernen Klassikern des Musicaltheaters. Ab 19. Dezember ist die Inszenierung aus dem Londoner Westend in der Regie von Bill Kenwright im Grand Théâtre in Luxemburg zu sehen. Das Stück endet bekanntermaßen mit dem Tod der zweiten Ehefrau des  Präsidenten Juan Perón. Doch damit war das Drama um María Eva Duarte de Perón lange nicht beendet – zumindest im wirklichen Leben.

Evita Perons Tod am 26. Juli 1952 versetzte ein ganzes Land in Schockstarre. Zeit ihres kurzen (politischen) Lebens hatte sie sich für die Arbeiter und Mittellosen eingesetzt, die sie als „Engel der Armen“ vergötterten. Nach ihrem Tod im Alter von 33 Jahren – ebenso alt wie Jesus, wie im katholisch geprägten Argentinien ausdrücklich betont wurde – begann daher ein Totenkult ungeahnten Ausmaßes: Prozessionen zogen durch die blumenübersäten Straßen; zwei Wochen lang lag die Leiche schneewittchengleich in einem gläsernen Sarg, an dem Hunderttausende vorbeischritten. In Rom erreichten Pius XII. 26 000 Petitionen, in denen er um die Heiligsprechung Evitas gebeten wurde.

1955, nach der gewaltsamen Absetzung Juan Peróns durch die Militärs, war Evitas Leichnam immer noch öffentlich zugänglich. Aufwendig balsamiert wirkte sie wie eine Schlafende. Das Denkmal für ihre letzte Ruhe sollte gigantischer sein als die New Yorker Freiheitsstatue. Doch nach dem Putsch waren derlei Pläne hinfällig; nichts durfte mehr an den Perónismus erinnern – am allerwenigsten eine Pilgerstätte, die zum Kultort geworden wäre. Vier Wochen nach dem Staatsstreich – Perón hatte sich nach Spanien abgesetzt – stürmten Mitglieder des Militärischen Abschirmdienstes das Gewerkschaftshaus, in dem Evita seit rund drei Jahren aufgebahrt war, und verschwanden mit der Leiche.

Die kam noch lange nicht zur Ruhe: Fast zwei Jahrzehnte lang wurde sie an verschiedenen Stellen „abgelegt“: mal in einem Kino, mal in militärischen Waffenkammern, selbst in Privathäusern. Und ihre Irrfahrt beschränkte sich keineswegs auf ihr Heimatland. Als „Maria Magi de Magistris“, eine italienische Witwe, die angeblich in Argentinien gestorben war, wurde sie in Mailand beigesetzt, während Gerüchte die Runde machen, Evitas Leiche sei verbrannt beziehungsweise im Meer versenkt worden. Zeitweise soll sie im Hinterhof eines Hamburger Bordells gelegen haben und von dort in die argentinische Botschaft in Bonn gebracht worden sein, wie der argentinische Autor Tomás Eloy Martinez in seinem 1995 veröffentlichten, Fakten und Fiktion kühn vermischenden Roman „Santa Evita“ behauptet.

Tatsache dagegen ist, dass Evita 1971 exhumiert und von Mailand in die Madrider Villa Juan Perons gebracht wurde. „Sie schläft nur“, soll er beim Anblick seiner Frau gesagt haben. Und nun nahm der Totenkult bizarre, um nicht zu sagen gruselige Formen an: Perón ließ Evitas Leiche beim Essen mit am Tisch aufbahren, und seine neue Frau Isabel musste ihrer Vorgängerin täglich die Haare kämmen und sich angeblich auch neben sie in den Sarg legen – um von ihrer „politischen Magie zu profitieren“.

Im Oktober 1973, wenige Monate vor seinem Tod, wurde Perón erneut Präsident seines Landes; seine Frau ernannte er zur Vizepräsidentin. Diese ließ Evitas Mumie nach Peróns Tod 1974 nach Argentinien überführen, wo sie an der Seite ihres Mannes bestattet wurde – freilich immer noch nicht zur wirklich letzten Ruhe.

1976 veranlassten die neuen Machthaber der Militärdiktatur ihre Beisetzung in der Duarte-Familiengruft in Recoleta in Buenos Aires – vorsichtshalber ziemlich tief und mit einer zentnerschweren Stahlplatte gesichert. Erst seitdem kann sie wirklich in Frieden ruhen.

„Evita Perón hat sich durch ihren Tod in ein mächtiges Symbol verwandelt“, sagte der argentinische Filmemacher Pablo Agüero, der die Odyssee 2015 in einen Kinofilm mit dem Titel „Eva no duerme“ („Eva schläft nicht“) nacherzählt. Ein Symbol, das nach wie vor Wirkungen in ihrer Heimat zeigt und immer noch für Geschäfte gut ist: mit Evita-Souvenirs, Evita-Büchern und -Filmen sowie zahlreichen Bars, die ihren Namen tragen.

Andrew Lloyd Webber hatte mithin den richtigen Riecher, als er Evita zur Titelheldin seines Musicals machte: Auch seine Kasse lässt sie bis heute klingeln.

 Eine Gedenktafel weist an der Gruft der Familie Duarte auf dem Friedhof Recoleta in Buenos Aires (Argentinien) auf das Grab von Maria Eva Duarte de Peron hin.

Eine Gedenktafel weist an der Gruft der Familie Duarte auf dem Friedhof Recoleta in Buenos Aires (Argentinien) auf das Grab von Maria Eva Duarte de Peron hin.

Foto: picture alliance / Jutta Steinho/Jutta Steinhoff

Premiere in Luxemburg ist am 19. Dezember, 20 Uhr (bis 31. Dezember täglich; Ausnahme: 25. Dezember); Karten gibt es unter Telefon 00352 47963900

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