Kunstakademie „Die Herzen sind überall die gleichen“

Trier · An der Europäischen Kunstakademie Trier unterrichtet die chinesische Künstlerin Ying Gu Collagraphie. Die seltene Technik – eine Mischung aus Malerei und Grafik – wird zunehmend beliebt.

 Ying Gu beim Drucken einer Collagraphie.

Ying Gu beim Drucken einer Collagraphie.

Foto: Eva-Maria Reuther

„Versuchen Sie, dahin zu kommen“. Ying Gu nimmt ein Blatt vom Tisch nebenan  und zeigt auf ein Muster aus Rechtecken. Aufmerksam betrachtet der Mann mit dem Pferdeschwanz neben ihr die Vorlage, bevor er  mit Schraffuren an der eigenen Arbeit beginnt.

Hugo ist einer der Teilnehmer, die sich zu den Grafik-Kursen der Gastprofessorin aus China  angemeldet haben. Zum ersten Mal hat die Künstlerin aus der Trierer Partnerstadt Xiamen einen Lehrauftrag an der Europäischen Kunstakademie Trier erhalten. Wie das Haus mitteilt, möchte es gern im nächsten Jahr die Zusammenarbeit fortsetzen. Neben dem Farbholzschnitt unterrichtet die 1970 in der Mongolei geborene Professorin auch  Collagraphie, eine in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts entwickelte und inzwischen gerade  in England zunehmend beliebte Technik. Dazu werden (wie es der Name sagt)  unterschiedliche Materialien auf einen Bildträger (meist mit Vorzeichnungen) geleimt, eingefärbt und bearbeitet und anschließend auf Papier gedruckt. Auf diese Art entstehen reizvolle, zum Teil poetische Muster, eine Mischung aus Malerei und  Grafik.

Hugo hat Pflanzenteile als Grundstruktur benutzt. Auf dem Tisch vor ihm liegen Gräser und Efeublätter. Einmal in der Leimschicht verschwunden sind sie nur noch als Linien und Formen  erkennbar. Jetzt geht es ans Drucken, der spannendste Moment im Entstehungsprozess. Ying Gu hilft mit. „So etwas haben wir in China gar nicht“, lacht sie, als sie den gewaltigen Hebel der behäbigen Handpresse bedient. Gleich mehrere Blätter werden hintereinander gedruckt. Jedes zeigt andere Nuancen. Die chinesische Professorin ist sehr um ihre Schüler bemüht. Immer wieder unterbricht sie unser Gespräch, um zu helfen und zu raten. „Das ist doch schon recht gut“, lobt sie Jacqueline, die zweite Teilnehmerin dieses Nachmittags, die erste Versuche im Holzschnitt macht.

Das Kerngeschäft der Professorin, die auch Malerei studiert hat und  daneben Kalligraphie und Lithografie beherrscht, bleibt der Holzschnitt. Nach einem Pädagogikstudium in ihrer chinesischen Heimat setzte sie ihr Studium in Japan fort, dem gleichsam klassischen Land des Farbholzschnitts. Die traditionsreiche Technik lehrt sie mittlerweile  am Art College der Universität in Xiamen. Das Holz habe als Material viele Vorteile, sagt Ying Gu. Außerdem sei es in China leichter zu bekommen als die für die Lithografie nötigen geeigneten Steine. Die Hochschullehrerin hat nur wenige Studenten. Der Holzschnitt sei nun mal eine komplizierte Technik, bei dem es viel Erfahrung und Materialkenntnisse brauche. Nebenan auf dem Tisch liegen eigene Holzschnitte der vielfach ausgezeichneten Künstlerin, koloriert mit Aquarell-und Ölfarben, daneben einige Lithografien.

Ying Gu arbeitet – anders als hierzulande üblich – für die Koloration nicht mit mehreren Platten, sondern verschiedenen Farbschichten. Ihre Arbeiten, für die sie zum Teil traditionelle Gefäßformen verwendet, die sie künstlerisch mit zeitgenössischen Inhalten füllt, wie etwa den Verheerungen der Unweltzerstörung, sind allesamt hochpoetische und äußerst reizvolle Kompositionen.

Traumblau ist Ying Gus Lieblingsfarbe.  In ihr schafft sie die schönsten ihrer fantastischen Welten. Die eifrige Grenzgängerin ist weltläufig und regelmäßig unterwegs. Nicht nur, dass sie alljährlich aus dem stickigen Xiamen in die kühle mongolische Heimat reist. Japan, Australien und Europa gehören ebenso zu ihren Reisezielen. Von Trier geht es anschließend nach Belgien und in die Niederlande. „Die Kulturen mögen sich zwar unterscheiden“, hat Ying Gu auf ihren Reisen erfahren, „aber die Herzen der Menschen sind die gleichen“. Auf ihren Reisen habe sie sehr viele hilfsbereite Menschen kennengelernt, erzählt die Künstlerin, auch in Trier. In der Moselstadt ist die Chinesin zum ersten Mal. „Auch wenn die Stadt klein ist, mag ich sie sehr“, sagt Ying Gu. Besonders beeindruckt habe sie die Stadtbibliothek mit ihren wertvollen Beständen. Und nicht zuletzt die zugewandten Menschen haben es der Künstlerin angetan. „Ich liebe es, ,Guten Morgen’ zu sagen“, gesteht Ying Gu. Für die Künstlerin ist klar: „Ich würde gerne wiederkommen.“

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