Konzert Hochspannung bis zum letzten Akkord

Trier · Exzellent: das 7. Trierer Sinfoniekonzert mit Richard Galliano auf dem Akkordeon.

So gewaltig war der Jubel selten in einem Trierer Sinfoniekonzert. Die Besucher im voll besetzten Theater feierten den Gast des Abends ausgiebig. Und Richard Galliano, der übrigens schon 2002 in der Trierer Tufa  auftrat – er hatte auf dem Akkordeon in einer Weise brilliert, die manche wohl nicht für möglich gehalten hätten.

Dabei sind Gallianos Kompositionen, „Madreperla“ und als Zugabe „Valse à Margaux“, vor allem eines: Basis für Improvisationen. Beide Kompositionen breiten im Orchester Klangflächen aus und geben damit dem Solisten reichlich Anlass zur künstlerischen Spontaneität. Und Galliano nutzt die Chance, liefert aus dem Stegreif zu „Madreperla“ eine glanzvolle, melodisch-harmonisch reiche Einleitung und besticht in der großen Kopfsatz-Kadenz  mit enormem Ideenreichtum. Victor Puhl und die Trierer Philharmoniker begleiten – sicher, sorgfältig und eher unauffällig.

Als nach der ersten Zugabe der Applaus nicht nachließ, da stellte sich Galliano wieder auf die Bühne und spielte ohne Orchester alles, was ihm spontan einfiel. Auf seine ganz eigene Weise breitete er ein enormes Stilspektrum aus. Da klingen Bach, Mozart oder Reger an, aber auch das südamerikanische Caféhaus. Und in die Begeisterung im Auditorium mischte sich Staunen: Was auf diesem Akkordeon möglich ist, wenn es nur ein Künstler so beherrscht wie Richard Galliano!

Da gerieten Bartoks farbenreiche und dazu gelassen und nobel musizierten „Ungarische Skizzen“ zu Konzertbeginn fast in Vergessenheit. Denn mit Beethovens 7. Sinfonie stand ja der zweite Höhepunkt im Konzert bevor. Mag sein, dass in dieser Komposition einige Streicher-Verstärkungen dem Orchesterklang mehr Fülle und Rundung beschert hätten. Aber das Entscheidende gelingt den Philharmonikern. Sie realisieren die Präsenz von Beethovens Musik,  ihre bedrängende Klarheit, Wachheit und Prägnanz.

In der Siebten gibt es keine Vorbereitungen, Einleitungen oder Nachklänge. Unablässig steht diese Musik unter Hochspannung. Wie leicht kann eine Interpretation misslingen, wenn sich Dirigent und Orchester nur auf ihre Routine verlassen! Aber bei Puhl und den Philharmonikern geschieht genau das Gegenteil. Vom ersten bis zum letzten Takt ziehen sie die Besucher in Beethovens Musik hinein.

Nichts in den berühmten punktierten Rhythmen bleibt beiläufig. Kantablere Abschnitte wie das Trio im dritten Satz fallen aus der Spannung nicht heraus. Das Pianissimo-Fugato im langsamen Satz klingt, als müsste man den Atem anhalten. Und welch explosive Energie bringt das Scherzo mit! Puhl tanzt auf dem Podium, vollführt Luftsprünge, verkriecht sich im Pianissimo fast unter dem Dirigierpult.

Gegen Ende steigern er und die Philharmoniker noch einmal die Intensität. Den Schlussakkord schlägt er mit einer ausgreifenden Geste ab und wendet sich dabei halb zum Publikum. Das reagiert zuerst überrascht, und dann mit heller Begeisterung. Täuschen wir uns? Fiel die Zustimmung nach der Siebten noch einige Grade entschiedener aus als bei Galliano? Fest steht: Auch die Philharmoniker und Puhl gehörten zu den Stars des Abends.

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