Kultur Feine Sahne Fischfilet im TV-Interview: Über Manipulationen, Nazi-Angriffe und „einen kulturpolitischen Skandal“

Trier · Feine Sahne Fischfilet ist die aktuell wohl meistdiskutierte Band in Deutschland. Im TV-Interview spricht Gitarrist Christoph Sell über den „Bauhaus-Skandal“, den Verfassungsschutz und die Auftritte in Trier.

 Gitarrist Christoph Sell mit Sänger Jan „Monchi“ Gorkow.

Gitarrist Christoph Sell mit Sänger Jan „Monchi“ Gorkow.

Foto: picture alliance/dpa/Danny Gohlke

Soll ja niemand sagen, die Jungs von Feine Sahne Fischfilet hätten keine Manieren. Für freundliche Unterstützung bedankt sich die Punkband aus Mecklenburg-Vorpommern jedenfalls auf ihre Art. Dem Verfassungsschutz schickten sie einen Präsentkorb – für die jahrelange ausführliche Berücksichtigung in den Berichten. Warnung als Promo. Und für das Bauhaus in Dessau gab’s letzte Woche eine Flasche Pfefferminzlikör als Danke­schön. Die Institution hatte den Auftritt der linken Punkband abgesagt – aus Angst vor rechten Krawallen. Feine Sahne Fischfilet spielte stattdessen einfach im „Brauhaus“.

Das wiederum hat den Filets eine unglaubliche Medienpräsenz verschafft. „Zeit“, „Spiegel“, „Tagesschau“ – an der Band, die laut Gitarrist Christoph Sell einst vor einem Discounter-Regal ihren Namen fand, kam niemand vorbei. Diskussionsstoff, wochenlang. So waren auch in Trier die Auftritte der Band in der städtischen Europahalle am 22. und 23. November kurz Thema im Stadtrat – ein Verbot stand aber nicht zur Diskussion. Heißt: kein „Pfeffi“ für die Stadtverwaltung.

Im Telefonat mit dem TV spricht Christoph Sell über den Bauhaus-Eklat, die Herkunft, den Verfassungsschutz und Trier. Der Gitarrist hat beste Laune, kann er auch haben: Die „Sturm und Dreck“-Tour ist schon zum großen Teil ausverkauft. Und zwar nicht die kleinen Klitschen und Jugendzentren, wie früher mal. Sondern die mittelgroßen und großen Arenen. Für das Zusatzkonzert am 22. November in Trier gibt es aber noch Tickets.

... über die Auswirkungen des Medien-Hypes

„Ich denke, dass die ganze Berichterstattung der letzten Wochen Auswirkungen hat, dass sie unseren Bandnamen sowie unsere politische Message pusht und in die Tagespolitik getragen hat. Unser Bekanntheitsgrad hat noch einmal zugenommen – es erschienen ja teilweise jeden Tag Artikel über uns“, sagt Christoph Sell. „Da kommen auch neue Leute zu Konzerten, die einfach neugierig sind.“

... über die Absage des geplanten Konzerts im Bauhaus

„Für das Bauhaus und die Freiheit der Kunst ist das einer der größten kulturpolitischen Skandale der Nachkriegszeit. Das Ansehen des Bauhauses wurde durch die hauseigene Stiftung nachhaltig beschädigt und zudem hat das Bauhaus seine eigene linke und antifaschistische Geschichte mit Füßen getreten“, kommentiert Sell. „Das ist insgesamt auch eine wirklich traurige Geschichte, in Zeiten des Rechtsrucks aber leider wenig verwunderlich.“

... über die einstige Dauerpräsenz in den Berichten des Verfassungsschutzes

Der Verfassungsschutz des Landes Mecklenburg-Vorpommern hatte Feine Sahne Fischfilet mehrfach in seinen Bericht aufgenommen, bis vor vier Jahren – der Band wurde Linksextremismus vorgeworfen. Im Song „Staatsgewalt“ – den die Band seit vielen Jahren nicht mehr spielt – werde zudem zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen. Klar, dass das nicht nur Promo für die Band war. „Das wird immer wieder herangezogen, es dient der Kriminalisierung – damit die Leute denken sollen: ‚Was sind das denn für Menschenfeinde?‘ Es ist ein absoluter Schwachsinn. Und natürlich nervt das“, sagt Sell. „Es gibt richtig krasse Nazibands in Mecklenburg-Vorpommern, die werden in den Berichten mit zwei Sätzen oder gar nicht erwähnt – aber über uns wurde jahrelang seitenweise geschrieben. Die Behörde war schon immer rechts-konservativ und hat nachweislich den NSU mitfinanziert – da haben wir gesagt: okay, euch schenken wir einen Präsentkorb für die gute Promo. Wenn ihr uns nicht mögt, dann haben wir alles richtig gemacht.“

... über die frühen Jahre der Band

Feine Sahne Fischfilet gibt’s seit 2007, die Musiker kommen alle aus dem Raum Greifswald. Christoph Sell – schon vorher mit der Band befreundet – kam 2009 hinzu. Zu Beginn ging’s noch sehr rustikal zu. Punkrock alter Schule, mit Trompeten aufgewertet, dazu anfangs auch mit Texten über Suff und Sex, die man auch in politisch weit entfernten Lagern goutieren konnte und für die sich die Band heute schämt. Inzwischen sind die Texte von Jan „Monchi“ Gorkow deutlich differenzierter – er schreibt über das Versagen bei der NSU-Aufbereitung, aber auch über gebrochene Herzen oder eine Liebeserklärung an seine Eltern („Niemand wie ihr“). Politik war früh ein Thema, sagt Christoph Sell. Ein Aufbegehren gegen die Nazistrukturen, die in der Provinz in Mecklenburg-Vorpommern wohl ausgeprägter sind als irgendwo anders in Deutschland. „Wir hatten keinen Bock auf Nazis. Als linke Punk-Band mit Antifa-Verbindungen wirst du in Mecklenburg-Vorpommern selbstverständlich sehr schnell mit Neo-Nazis konfrontiert. Du fängst also zügig an, darüber nachzudenken, wie man sich da effektiv und sinnvoll antifaschistisch positionieren kann. Frage: Wie wollen wir leben? So fügen sich die Musik, die Kunst und politisches Engagement bei uns zusammen. So sind wir auch eine politische Band geworden.“ Stress mit Neo-Nazis habe es von Beginn an gegeben. Immer wieder gab es Anschläge mit Buttersäure. „Das stinkt nicht nur bestialisch, sondern bedeutet auch: ‚Wir wissen, wer ihr seid. Ihr könnt eine kleine Anti-Nazi-Band sein, aber wir gehen euch richtig auf den Sack.‘ Das war immer auch bedrohlich, aber wir haben früh gelernt, damit umzugehen. Wir haben es immer geschafft, uns zu schützen. Wir haben uns ein gutes Netzwerk aufgebaut über die Jahre und haben die Öffentlichkeit, da sehen wir keine Mega-Gefahr für uns.“

Auch in Mecklenburg-Vorpommern gebe es einen weiteren Rechtsruck „wie in ganz Deutschland und Europa“: „Vieles war vor zehn Jahren übersichtlicher, die Fronten waren klarer. Heute weiß man oft nicht mehr genau, wer für was steht. Das Klima ist gesamtgesellschaftlich rauer geworden.“

... über den angeblichen Hitlergruß von Sänger Jan Gorkow

Auf einem Foto, das im Internet vor einigen Wochen viral ging, sieht es so aus, als würde der Sänger den Hitlergruß zeigen. Dem war nicht so. Es war ein Standbild aus einem Video, in dem er winkt: eine bewusste Manipulation von politischen Gegnern.

Christoph Sell: „Das ist eine Sache, die wütend macht und stresst – aber mit der man eben auch umgehen muss heutzutage. Gerade im Social Media gibt es so viel Hetze, so viele Fakes und so viele Trolls, die nur unterwegs sind, um die Meinung manipulieren zu wollen. Da muss man klaren Kopf bewahren – und erkennen, dass es heute so abläuft. Auch wenn eine Gesellschaft auf eine solche Art und Weise nicht funktionieren kann. So war das auch mit dem vermeintlichen Hitlergruß: das war natürlich totaler Quatsch, wurde aber trotzdem verbreitet – und dann auch noch befeuert durch Bild-Chefredakteur Julian Reichelt, der das Fake-Bild eines Neo-Nazis auf Twitter geteilt hatte.“

... über die Lage in Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zu den Anfängen der Band

Christoph Sell: „Die Nazistrukturen, die es auf den Dörfern in Mecklenburg-Vorpommern gibt, sind schon einzigartig – beschissen! Da gibt’s wenig Zivilcourage, wenige Einwohner. So können Nazis in Ruhe Strukturen aufbauen. Es gibt aber auch überall, auch schon als wir anfingen Musik zu machen, Menschen die sich dem entgegenstellen und tolle Projekte in der Peripherie durchziehen. Auch aktuell gibt es schöne positive Entwicklungen: Wie etwa den Demokratiebahnhof in Anklam, der coole Sachen macht, wie z.B. emanzipatorische Vorträge, Jugendveranstaltungen und alles rund um das Soziale. Das wäre vor zehn Jahren undenkbar gewesen.“

 ... über die Live-Shows der Band

Feine Sahne Fischfilet sind in der breiten Öffentlichkeit erst seit einigen Monaten bekannt. Aber auch schon vorher hatte die Band auf großen Festivals wie bei Rock am Ring gespielt oder als Support von den Toten Hosen. In Trier spielten sie zuletzt vor drei Jahren mit Love A und der Antilopen Gang auf der Exhaus-Sommerbühne. „Die Leute wissen, was sie von uns bekommen: energiegeladene gute Livekonzerte“, sagt Sell, der sich noch an die neue Popularität gewöhnen muss: „Es ist schon krass, was gerade passiert. Oder dass etwa das Konzert in Düsseldorf schon zwei Monate vor dem Konzert ausverkauft war – da passen 7500 Leute in die Halle. Aber auch, dass wir in Trier gleich zwei Mal in der Europahalle spielen, weil das erste Konzert so schnell ausverkauft war – das ist schon was Besonderes. Wir waren ein paar Mal in Trier, es war immer sehr nett – mit dem Freibad hinterm Exhaus und den Weinbergen in der Umgebung.  Wir freuen uns auf zwei tolle Konzerte dort, um unser Album Sturm und Dreck vorzustellen.“

Feine Sahne Fischfilet spielt am 22. November (Zusatzkonzert) und 23. November (ausverkauft)  in der Europahalle Trier.

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