Eifel-Literatur-Festival Auf, auf zum fröhlichen Morden: Ingrid Noll begeistert in Prüm mit schwarzem Humor

Prüm · Die Krimi-Bestsellerautorin redet in Prüm über allerlei Groteskes und das Gerücht, Männer nicht zu mögen.

 Erwägt eine Gleichberechtigungsquote für Mordopfer in Büchern: Ingrid Noll.

Erwägt eine Gleichberechtigungsquote für Mordopfer in Büchern: Ingrid Noll.

Foto: Eva-Maria Reuther

Am Ende  gibt`s noch ein  Bonbon für die Gastgeber. „Ich mag die Eifel“, gesteht Ingrid Noll ihrem begeisterten Publikum und schiebt nach: „Natürlich mag ich auch die Menschen dort“. Wie zum Beweis hält die Schriftstellerin, bei deren Krimis man so unterhaltsam das Gruseln lernen kann,  die Flasche mit dem Eifel Wässerchen hoch, das ihr Festivalchef Josef Zierden als kleinen Dank überreicht hat. Hochprozentiges für besondere  Augenblicke, so wie die, wenn es in Nolls Büchern ans fröhliche Morden geht.

Zu einer höchst gelungenen Lesung ist die deutsche Krimi Queen zum Eifel-Literatur-Festival nach Prüm  gekommen. Witzig, unverblümt und direkt  ist die Erfolgsautorin aus dem badischen Weinheim. Dass ihre mörderischen Geschichten, verlegt beim feinen Züricher Diogenes Verlag, allesamt Bestseller sind, über deren Auflagenhöhe das Haus diskret schweigt, muss nur der guten Ordnung halber erwähnt werden, angesichts der 500 Fans , die Zierden in der Aula der ehemaligen Hauptschule begrüßen kann. Unter ihnen sind  zahlreiche Gäste aus Luxemburg und von weit her. Schon nach ihren ersten Sätzen ist klar: Da vorn am Tisch sitzt nicht nur eine gestandene Autorin, sondern auch eine gestandene Frau, Mutter dreier Kinder, die weiß, was sie will.

Der besseren Ökonomie halber hat sie das Signieren ihrer Bücher schon mal vor der Lesung begonnen. Später sitzt die Frau mit dem schwarzen Humor und der literarischen Mordlust im zarten Samtblazer über der eleganten Bluse oben auf der Bühne – ganz kultivierte reife Dame – und liest mit energischer Stimme aus ihrem letzten Krimi „Halali“.

Was Energie und Strahlkraft angeht, kann es die bald 83-jährige Autorin, die ihre schriftstellerische Karriere erst mit Mitte fünfzig begann, mühelos mit dem Heer von Jungautoren aufnehmen, die der aktuelle Literaturbetrieb, dem Zeitgeist folgend, unaufhörlich  produziert. An Entschiedenheit hat die „große alte Dame des deutschen Krimis“, mit dem exotischen Geburtsort Shanghai, sogar manch jungem Kollegen einiges voraus.

Vehement widerspricht sie der einmal geschriebenen und tausendmal wiederholten Einordnung, ihre Bücher seien feministisch, da ihre Mordopfer stets Männer seien. Ganz grundsätzlich habe sie wohl etwas gegen Männer, heißt es. „Ich habe doch selbst einen“, kontert Noll  trocken. Und genügend Frauen habe sie schließlich auch gemordet (literarisch selbstredend). Der Gleichberechtigung wegen habe sie sogar schon mal eine Quote einführen wollen. War aber dann wohl doch nichts.

Bei Ingrid Noll wird zwar skrupellos, aber immer gepflegt gemordet. So auch in „Halali“, einem Krimi, der eigentlich ins Bonner Haus der Geschichte aufgenommen werden müsste. Geradewegs in die ersten Jahrzehnte der jungen Bundesrepublik und ihre Hauptstadt Bonn führen die Erlebnisse der Freundinnen Karin und Holda. Dort arbeiten die beiden jungen Frauen als Sekretärinnen im Innenministerium, gehen auf Männerjagd und geraten dabei unversehens ins mörderische Agentenmilieu. Jahrzehnte später erzählt Oma Holda ihrer Enkelin  von damals und ihren kleinen Morden.

Wer für Retro schwärmt und auch noch Humor hat, ist bei Großmutter Holda, die einen leichten Touch von „Arsen und Spitzenhäubchen“ hat, goldrichtig. Einmal mehr bestätigt sich das in Prüm. Ungesüßt, dafür augenzwinkernd und detailgenau, lässt Noll die alten Zeiten erstehen, in denen die Herren stets Anzug und Krawatte trugen, das Schwarz-Weiß-Fernsehen spätabends seine Zuschauer mit dem Testbild tröstete und strenge Vermieterinnen darüber wachten, dass ihre möblierten Damen und  Herren nach zehn Uhr abends keinen andersgeschlechtlichen Besuch empfingen. „Die Sünde fing um zehn Uhr an“, erinnert sich die Autorin.

Und da sind sie wieder, die Heiterkeit der Abgeklärten, mit der Noll in ihren Büchern erzählt, und ihr wacher Blick für das Groteske im Normalen und den Horror im Alltäglichen. Buchstäblich vor Augen haben die Prümer Zuhörer die beiden jungen Frauen, die zwischen morden und entsorgen der Leiche  – so viel Zeit muss sein – einander Tee anbieten und  stilsicher den erlegten Agenten  mit Jägermeister begießen. Um das Leben von Holda und Karin müsse man sich keine Sorgen machen, beruhigt Zierden vorsorglich künftige Leser. Kann man nur sagen:  Auf,  auf zum fröhlichen literarischen Jagen.

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