Karl Marx Journalismus Karl Marx – ein Vorbild für den Journalismus?

Trier · Lügenpresse, Fake News und politische Nähe. Fünf Wissenschaftler und Journalisten diskutieren über die Vorwürfe gegen die Medien und wie der Journalist Karl Marx in dieser Situation helfen könnte.

 „Wie neutral ist die Presse heute?“ das diskutieren (von links) Prof. Dr. Horst Pöttker, Dr. Jürgen Herres, Thomas Nettelmann, Monika Anthes und Prof. Dr. Hans-Jürgen Bucher in der Trierer Stadtbibliothek.

„Wie neutral ist die Presse heute?“ das diskutieren (von links) Prof. Dr. Horst Pöttker, Dr. Jürgen Herres, Thomas Nettelmann, Monika Anthes und Prof. Dr. Hans-Jürgen Bucher in der Trierer Stadtbibliothek.

Foto: Julia Schulz

Verhaftungen von Journalisten und Verbreitung politischer Propaganda: Das ist in Ländern wie der Türkei, Russland oder Syrien zur Normalität geworden. Dort wird das Prinzip mit Füßen getreten, für das schon Karl Marx vor fast 200 Jahren gekämpft hat: Pressefreiheit. Doch das ist nur eines der Probleme, denen sich die Presse aktuell stellen muss.

Deshalb haben Prof. Dr. Hans-Jürgen Bucher, Medienwissenschaften der Universität Trier, und Prof. Dr. Martin Embach, Leiter der Stadtbibliothek und des Stadtarchivs Trier, vier hochkarätige Wissenschaftler und Journalisten zu einer Podiumsdiskussion am Freitag eingeladen. Sie stand unter dem Thema: „Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein – Der Journalist Karl Marx zwischen Unabhängigkeit und Engagement – Leitbild auch für heute?“.

 Das Interesse ist groß. Schnell füllt sich der Lesesaal der Stadtbibliothek mit circa 70 Zuhörern. Ein Besucher verrät: „Ich bin deshalb hier, weil ich aktuell nicht weiß, was ich der Presse wirklich glauben kann.“ Diese Skepsis empfindet auch eine weitere Besucherin. „Wie neutral ist unsere Presse wirklich?“ fragt sie das Podium. Prof. Bucher erwidert: Journalismus brauche keine Neutralität, sondern eine Perspektivenvielfalt, die in Deutschland gegeben sei. Medienhistoriker Prof. Dr. Horst Pöttker behauptet, dass der Zusammenhang zwischen Presse und Politik momentan zu stark sei. Das bestreitet Monika Anthes, Redakteurin bei „Report Mainz“: „Die Distanz zwischen uns und der Politik ist maximal.“ Sie bekomme oft weder Antworten noch Interviews von Politikern. Das hätte Philosoph und Politiker Karl Marx sicherlich befürwortet, denn eine Hauptfunktion der Presse war laut ihm die Überwachung der Politik.

Damit Menschen der Presse vertrauen, ist laut Karl Marx eines besonders wichtig: intensive Recherche. Marx‘ korrekte Berufsbezeichnung hätte laut dem Marx-Experten Dr. Jürgen Herres, Redakteur der Marx-Engels-Gesamtausgabe und Autor, „Journalist“ lauten müssen. Er war Chefredakteur der „Rheinischen Zeitung“ und der „Neuen Rheinischen Zeitung“ und Korrespondent für die amerikanische Zeitung „New York Tribune“. Auch er kämpfte gegen Zensur und Verbote seiner Zeitungen. Gerade seine bildliche Darstellung und gut recherchierten Hintergrundreportagen könnten auch gegen das von Moderator Thomas Nettelmann vom Südwestrundfunk (SWR) angesprochene Problem der Fake News helfen. Man könne den Fake News nur durch Qualität und Transparenz und eine verlässliche Selektion entgegenwirken, sagt Monika Anthes.

Ohne Zweifel sei Karl Marx, so Prof. Pöttker, nach der heutigen Auffassung ein moderner Journalist gewesen. Der Trend in den Medien geht laut ihm weg von den tagesaktuellen Informationen und hin zu Hintergrundrecherchen, wie sie Marx damals verfasste.

Vielleicht sollte in Zukunft jede Zeitung auf die Suche nach ihrem Marx gehen?

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