Konzerte / Klassik Amerika in kleiner Dosis

Trier   · Ein exzellentes Konzert hat das Brentano String Quartet am Mittwoch im Trierer Kurfürstlichen Palais gegeben.

 Außergewöhnliches Niveau: das Brentano String Quartet (von rechts)  Mark Steinberg (1. Violine),  Misha Amory (Bratsche), Serena Canin (2. Violine) und Nina Maria Lee (Cello).

Außergewöhnliches Niveau: das Brentano String Quartet (von rechts)  Mark Steinberg (1. Violine),  Misha Amory (Bratsche), Serena Canin (2. Violine) und Nina Maria Lee (Cello).

Foto: Martin Möller

Nur wenige Takte genügen, dann bleibt auch unter den 150 Besuchern kein Zweifel mehr: Das amerikanische Brentano String Quartet, das bereits vor zehn Jahren im Trierer Kurfürstlichen Palais zu Gast war, ist ein Ensemble von außerordentlichem Rang. Schon bei Haydns Streichquartett op. 20,2 wird der ganz offensichtlich. Nichts, rein gar nichts im Ensembleklang bleibt vage, dumpf und beiläufig. Immer wieder entfalten die vier Streicher eine eindringliche Helligkeit und Markanz – entschieden und doch sensibel, kraftvoll und doch höchst differenziert und von einer überzeugenden Präsenz. Es ist ein starker, intensiv musizierter Haydn. Gerade der langsame Satz mit seinem planvoll sperrigen Unisono zu Beginn und dem düsteren c-Moll entfaltet bei den Brentanos eine Dramatik, eine Tragik sogar, wie sie auch bei Haydn selten vorkommt.

Der Meister aus Esterhazy hat mit der Streichquartett-Besetzung energisch, fast rücksichtslos experimentiert. Da spielt zu Beginn das Cello buchstäblich die erste Geige, während der Primarius erst nach einigen (wichtigen) Takten die Führung übernimmt. Die Hauptstimme in diesem Quartett wechselt permanent, bezieht auch zweite Violine und Bratsche ein. Es ist eine fast irritierend bewegliche Struktur. Aber die Brentanos ordnen sie mit ihrer perfekten Ausgewogenheit und bringen sie damit zum Klingen. Und der großen Fuge mit vier Themen im letzten Satz, einer kontrapunktischen Provokation im Zeitalter des „galanten Stils“, geben sie äußerste Transparenz mit.

Diese Transparenz und die Energie der Interpretation, sie machten auch das abschließende Mendelssohn-Quartett op. 44,3 zum Ereignis. Nichts bleibt mehr übrig von dem Gutbürgerlichen, das Mendelssohn ganz zu Unrecht anhängt. Die kantablen Seitenthemen singen und gleiten doch nicht in klischierte Idyllik ab. Und mit der Intensität ihres Musizierens  entdeckt das Brentano-Quartett eine ganz neue Dimension in Mendelssohns Musik – das Unheimliche, Zwielichtige, das Obskure unter der klassizistischen Oberfläche. Selbst beim Beethoven-nahen „Adagio non troppo“  mit seiner kantablen Melodik bleibt die Unruhe spürbar, klingt etwas nicht ganz Geheures mit. Und die Brentanos verdeutlichen durch ihr Musizieren immer wieder, mit welcher Intensität und auch Selbstkritik Mendelssohn an diesem großartigen, ungemein detailreichen Werk arbeitete.

Mitten hinein in ihr Programm hatte das Brentano-Quartett zwei Werke amerikanischer Komponisten gestellt. „Soft Power“ von Matt Aucoin (*1990) mit liegenden Dreiklängen, abrupten Tonart-Wechseln und dem expressionistisch zerrissenen Schluss hat noch eher Werkstatt- und Experimentalcharakter. Anders indes Elliott Carters „Elegy“. Das Werk ist ein Dokument beeindruckender Sensibilität, Romantik ohne romantische Klang-Klischees. Der Anteil an amerikanischer Musik im Programm indes war gering. Vielleicht hatten die Brentanos zu übervorsichtig disponiert, Vielleicht wäre an dieser Stelle ein Streichquartett von Carter am rechten Platz gewesen. Nur – und ganz ehrlich: Wer im Publikum würde diese herrlichen Haydn- und Mendelssohn-Interpretationen dagegen eintauschen!

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