Kunst Gegenwart und Tradition im Dialog

Bitburg · Das Bitburger Kulturzentrum Haus Beda weiht mit der Ausstellung „Gips, Bronze, Kunst“ sein zum Jubiläum neu gestaltetes Atrium ein.

 In der Sonderausstellung „Gips, Bronze, Kunst“ sind unter anderem die „Neckischen Grazien“ von Caro Suerkemper zu sehen.

In der Sonderausstellung „Gips, Bronze, Kunst“ sind unter anderem die „Neckischen Grazien“ von Caro Suerkemper zu sehen.

Foto: Eva-Maria Reuther

„Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns mit ihnen“. Die barocke Verszeile, die auf ein Wort des römischen Dichters Ovid zurückgeht, kommt einem unwillkürlich in den Sinn, wenn man dieser Tage das Bitburger Kulturzentrum Haus Beda betritt.

Zum 50. Geburtstag der Dr.-Hanns-Simon-Stiftung hat das Haus nicht nur sein Atrium behutsam modernisiert und dabei seine Skulpturensammlung neu geordnet. Den neuen Abschnitt einer kontinuierlichen Geschichte privaten Sammelns und öffentlichen Kunstmäzenatentums feiert das Haus mit einer sinnreichen Ausstellung, die den Betrachter vom künstlerisch überformten Ideal hinführt zu den subjektiven Veräußerungen der modernen und zeitgenössischen Kunst.

„Es hat sich wieder etwas in Bitburg getan“, freute sich Stiftungsvorsitzender Michael Dietzsch zur Vernissage der Skulpturen-Schau. Neuerlich wird dabei deutlich, dass auch zeitgenössische Kunst ihre Wurzeln in der Tradition hat, auf die sie reagiert, mit der sie bricht oder die sie zeitgenössisch neu formuliert.

„Gips, Bronze, Kunst“ heißt die Ausstellung. Der Titel verweist zunächst auf die beiden Techniken Bronze- und Gipsguss. Wie die Bronze ist auch der Gips ein uraltes Material der Bildhauerei. Bereits die Griechen verwandten ihn beim Herstellen von Bronzeplastiken. Allerdings wurde er auch als Grundierung für spätere Bemalungen benutzt, wie bei dem berühmten über 3000 Jahre alten Kopf der ägyptischen Königin Nofretete, der hier als weißes Gipsmodell zu sehen ist.

Seit langem sind zudem Gipsabgüsse als Repliken prominenter Bildwerke bei Sammlern beliebt. Sie dienten nicht nur der Freude ihres Betrachters, sondern waren auch Ausdruck eines zur Schau gestellten Bildungsideals. Erst im letzten Jahrhundert konnte sich der Werkstoff Gips als eigenständiges künstlerisches Formmaterial emanzipieren.

Nicht zuletzt weist die Schau den Sammler und Stiftungsgründer Hanns Simon, dessen historischer Kollektion das Atrium vorbehalten ist, als gebildeten Sammler alten Stils aus. Der promovierte Chemiker und Brauereibesitzer, der selbst ein Bildhauer-Atelier besaß, war ganz offensichtlich einer Kunst verpflichtet, deren Schönheit im Dienst einer besseren Welt stand ( wie auch seine Stiftung). Neben Steinskulpturen und Bronzeplastiken sammelte der ehemalige Brauereibesitzer wie andere auch Gipsabgüsse. Allesamt von feinster Provenienz, nämlich aus der Staatlichen Gipsformerei in Berlin, die auch einige Leihgaben beigesteuert hat.

Wie hier zu sehen, war Simons Schönheits- wie Kunstbegriff kein statischer. Er reicht von der antiken Säule über mittelalterliche Tugendhaftigkeit, Donatellos knabenhaften David, eine barocke Diana und Gottfried Schadows anmutige Prinzessinnen bis hin zur Auguste Rodins lyrischem „Kuss“ und Fritz Klimschs „Europa“. Einen Höhepunkt der Sammlung bildet Gerhard Marcks nach innen hörender Orpheus, der auf wunderbare Weise Winckelmanns Wort von der „edlen Einfalt und stillen Größe“ neu zu formulieren scheint.

Vom Erhabenen der kunstgeschichtlichen Erinnerungskultur des Atriums geht es mit fünf zeitgenössischen künstlerischen Positionen in die zum Teil alltägliche Gegenwart, die neben Gips und Bronze auch Werkstoffe wie Acryl und Papier verwendet. Die zeitgenössischen Arbeiten treten in inhaltlichen Dialog mit der historischen Sammlung.

Ein Teil der Arbeiten kann dabei als selbstreferentielle Frauenkunst gelten. So wie die realistischen Frauenfiguren der in Stuttgart lebenden Birgit Feil. Die poetische Porträt-Büsten ihrer Hamburger Kollegin Annette Meincke-Nagy muten an wie die beseelten modernen Schwestern der Nofretete. Wo noch die Anmut von Schadows Prinzessinnen erhaben blieb, ist die der neckischen Bronze Grazien der ebenfalls in Berlin arbeitenden Caro Suerkemper reine neobarocke Körperlust.

Die in München lebende Mainzerin Silvia Schreiber, die schon einmal Gast im Haus Beda war, präsentiert Papierplastiken aus der Gipsform, bei denen sie die Spuren des Entstehungsprozesses gestalterisch verwendet. Dabei entstehen zum Teil gleichermaßen malerische wie dynamische Arbeiten wie ihre stürmische „Nike“. Gips als eigenständigen Werkstoff nutzt eindrücklich die in Berlin und Düsseldorf lebende Yvonne Roeb in ihrem vielfältigen hintergründigen Werk. Eine der stärksten Arbeiten der Meisterschülerin von Katharina Fritsch, die hier die im Barock übliche Gepflogenheit, Gliedmaßen zu Studienzwecken in Gips zu gießen, zeitgenössisch überschreibt, ist ihre Arbeit „Entity“.

Eine unbedingt sehenswerte Schau, mit einer Fülle interessanter Informationen und Querverweise.

 Die Porträtbüsten von Annette Meincke-Nagy erwecken den Anschein einer moderne Nofretete-Büste.

Die Porträtbüsten von Annette Meincke-Nagy erwecken den Anschein einer moderne Nofretete-Büste.

Foto: Eva-Maria Reuther
 Die liegende Skulptur „Entity“ von Yvonne Roeb.

Die liegende Skulptur „Entity“ von Yvonne Roeb.

Foto: Eva-Maria Reuther

Die Ausstellung ist bis zum 30. Juni geöffnet. Dienstags bis freitags kann man die Ausstellung „Gips, Bronze, Kunst“ im Haus Beda von 15 bis 18 Uhr besuchen, am Wochenende und feiertags von 14 bis 18 Uhr. Unter Telefon 06561 96450 können zudem Führungen gebucht werden. Zur Ausstellung sind zwei Katalogbücher erschienen. Weitere Informationen unter www.haus-beda.de

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