Eifel-Literatur-Festival „Linke und Konservative müssen toleranter werden“

Bitburg · Er führt ein bewegtes Leben und ist als ausgesprochen eloquent bekannt. Beim Eifel-Literatur-Festival in der Bitburger Stadthalle lässt Gregor Gysi das Publikum auf sehr amüsante Weise an seinem Leben teilhaben.

 Gregor Gysi (links) beim Eifel-Literatur-Festival in Bitburg im Gespräch mit Hans-Dieter Schütt.

Gregor Gysi (links) beim Eifel-Literatur-Festival in Bitburg im Gespräch mit Hans-Dieter Schütt.

Foto: Nora John

„Ein Leben ist zu wenig“ heißt das Buch von Gregor Gysi, um das es am Freitag beim Eifel-Literatur-Festival in Bitburg gegangen ist. Ein Titel, der zu Wortspielen anregt. Und so ist auch eine Bitburger Stadthalle zu wenig für einen Gregor Gysi.

Nur 807 Besucher konnten eine Eintrittskarte erwerben, die restlichen 500 Interessierten auf der Warteliste gingen leer aus. Und haben damit einen unterhaltsamen und interessanten Abend verpasst.

Der Rechtsanwalt und Politiker der Linken, Dr. Gregor Gysi, wurde seinem Ruf als eloquenter, witziger und schlagfertiger Redner einmal mehr gerecht. Sein Gegenpart war Moderator Hans-Dieter Schütt, der auch an einigen Gysi-Büchern mitgearbeitet hat. Er gab immer wieder die Stichworte und Steilvorlagen, die Gysi gerne nutzte, um seine Weltsicht darzustellen und das Publikum zu unterhalten.

Schütt schlug nach Vorbild des Sommerinterviews im Fernsehen  Gysi einige fiktive Schlagzeilen vor. Zum Beispiel, dass Gysi eine Bismarck-Allee einweiht und Angela Merkel die Karl-Marx-Universität. Eine Schlagzeile, mit der der Politiker nach eigenen Aussagen keine Probleme hätte. Denn er sei der Ansicht, dass die Deutschen im Gegensatz zu den Franzosen ihre herausragenden Persönlichkeiten nicht genug achten. „Wir denken zu eng. Linke und Konservative müssen toleranter werden“.

In diesem Zusammenhang ging Gysi auch auf Karl Marx ein und versicherte, dass dieser von den Regimen in der DDR, in Russland oder China missbraucht worden sei.

 Nach der Veranstaltung signiert Gysi viele Bücher.

Nach der Veranstaltung signiert Gysi viele Bücher.

Foto: Nora John

Viel Gelächter gab es, als Schütt in den Raum stellte, wie Gysi Alterspräsident des Bundestages werden könnte. Der Politiker führte genüsslich und witzig aus, wie er sich das Szenario vorstellt. Dass er als Erster bei der konstituierenden Sitzung nach oben geht und der ganze Bundestag sich erhebt. „Ich habe es verdient, dass sich die gesamte CDU und CSU einmal für mich erhebt.“ Außerdem gebe es in dieser Situation für ihn keine Beschränkung der Redezeit. Dass er dies ausgiebig nutzen würde, daran bestand beim Publikum in Bitburg kein Zweifel.

In Gysis Buch geht es um das sehr abwechslungsreiche Leben des heute 70-Jährigen. Und so kamen auch Episoden aus seiner Kindheit in der früheren DDR zur Sprache. Er selbst sei in einem Haushalt großgeworden, in dem es viele Bücher gab und in dem Menschen aus Frankreich und vielen westlichen Ländern ein- und ausgingen. Seine Tante ist übrigens die Literatur-Nobelpreisträgerin Doris Lessing. Sein Freund aus derselben Straße sei als Sohn einer alleinerziehenden Mutter in einem Haushalt großgeworden, in dem es nur ein Kochbuch und die Bibel gab. Trotzdem sei sein Freund Oberarzt geworden. Damit verknüpfte Gysi auch Kritik am Kapitalismus, in dem bei der Bildung immer noch entscheidend sei, aus welcher Familie mit welchem Einkommen man stamme.

Der 70-Jährige erklärte auch, was es mit dem Buchtitel mit dem einen Leben, das nicht genug ist, auf sich hat. Er teilt sein Leben in insgesamt sieben Leben ein – von der Kindheit und Jugend über die Studentenzeit, seine Anwaltstätigkeit, die Wendezeit, seine Zeit als Politiker in der BRD, als er noch nicht akzeptiert war, bis hin zu der, in der er Wertschätzung erfuhr. Und schließlich das Alter, das er zu genießen gedenkt. Dazwischen gab Gysi Anekdoten aus seinem Anwaltsleben preis. Und Einschätzungen zur Politik der jüngsten Zeit – vom Publikum teils ernst, teils mit Gelächter und viel Applaus aufgenommen. So denke er bei Jamaika an Sonne, Strand, Rum und Reggae, aber ganz sicher nicht an Merkel, Seehofer und Lindner. In der Flüchtlingsfrage wünsche er sich, dass die Fluchtursachen bekämpft werden, statt die Grenzen dichtzumachen: „Damit gibt es nur eine Pause, aber das Problem wächst weiter.“ „Wir konnten hier so gut leben, weil die Menschen in Afrika nicht wussten, wie wir leben“, das sei nun durch Internet und Smartphones anders. Bei der aktuellen Regierung bedaure er die Einheitssoße zwischen Union und SPD. „Das nützt nur der AfD“. Er selbst sei zwar bei den Linken, aber „für einen diktatorischen Sozialismus stehe ich nicht zur Verfügung“.

Zum Schluss gab Gysi dem Publikum noch Ratschläge mit auf den Weg. Die Jugend solle rebellieren – aber nicht gewaltsam, sondern intelligent. Die mittlere Altersklasse solle sie rebellieren lassen, und die Alten sollten nicht dauernd über Krankheiten reden: „Davon wird man auch nicht gesund.“

Das Eifel-Literatur-Festival geht jetzt nach bisher zwölf von 24 Veranstaltungen in die Sommerpause. Bisher wurden 8600 Besucher gezählt.

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