Literatur Witz, Verve, Melancholie: Julian Barnes’ „Einzige Geschichte“
(fpl) Wir sind im England der frühen 60er, im Süden von London: Paul ist 19 Jahre alt, kommt als gelangweilter Student nach Hause in die Semesterferien, und seine Mutter schlägt ihm vor, doch einmal in den Tennisclub zu gehen.
Ausgerechnet der Tennisclub: den Ort, an dem Paul lauter brave „Hugos und Carolines“ aus bestem Hause trifft. Und genau so eine Caroline oder Christine oder Virginia, hofft seine Mutter, möge er dort finden, am besten mit einigermaßen konservativer Einstellung. Paul findet Susan Macleod, 30 Jahre älter, verheiratet, Mutter, und seine Partnerin im gemischten Doppel. Und während die Dialoge voller Witz und Verve nur so übers Netz gepfeffert werden, beginnt „die einzige Geschichte“, die er jetzt, als alter Mann, aus seinem Leben zu erzählen hat. Natürlich, sagt Paul, jeder von uns erlebt zahllose Geschichten. Aber am Ende zählt nur eine.
Es geht nicht gut aus. Susan, diese anfangs so bewundernswert souveräne Frau, der nichts etwas anhaben zu können scheint, wird schon bald der Last ihrer Liebe, dem Kampf gegen die Konventionen, Tribut zollen müssen und in die Trunksucht stürzen. Lange, bevor Paul es bemerkt. Und wenn auch die gemeinsame Geschichte der beiden nur zehn Jahre dauert – Susan bleibt bis zum Schluss in Pauls Leben.
Der 73-jährige Julian Barnes ist seit mehr als drei Jahrzehnten einer der großartigsten Schriftsteller, die die Welt zu bieten hat, und wie er in seinem neuen Roman von dieser für die damalige Zeit so unerhörten Liebe erzählt, die Perspektiven wechselt, uns ins Herz trifft und am Ende in tiefer Melancholie zurücklässt, das ist lesens- und bewundernswert.