Die Kulturmacher Wolfgang Keil Marketing für einen großen Schriftsteller von der Mosel

Stefan Andres aus Dhrönchen war ein deutscher Literatur-Star. Die nach ihm benannte Gesellschaft kümmert sich um das Erbe des Müllersohns, der sich den Nazis widersetzte und weltberühmt wurde.

 Wolfgang Keil

Wolfgang Keil

Foto: Horst Lachmund

Stefan Andres (1906-1970) gehörte in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu den meistgelesenen Schriftstellern deutscher Sprache. Geboren in einer der Breitweiser Mühlen im Dhrönchen (Gemeinde Trittenheim) liest sich die Lebensgeschichte des Müllersohns wie ein zeitgenössisches Dokument eines vor allem in der Nazi-Zeit verfemten Autors, der viele Jahre im italienischen Positano mit „verdecktem Schreiben“ und unter großen Mühen seine Familie durchbringen musste.

Seit 2007 ist der Trierer Wolfgang Keil als Nachfolger von Professor Dr. Georg Guntermann Präsident der Stefan-Andres-Gesellschaft (StAG). Der ehemalige Studiendirektor am Trierer Friedrich-Wilhelm-Gymnasium (Unterrichtsfächer Englisch und Deutsch), Fachleiter am staatlichen Studienseminar für das Lehramt an Gymnasien und bis 2013 Lehrbeauftragter der Universitäten Trier und Luxemburg, versteht sich mit seinen Vorstandskollegen als Sachwalter des rund 7000-seitigen Andres-Werks.

Oberstes Ziel der Gesellschaft ist die Verbreitung dieses sehr umfangreichen Andres-Vermächtnisses, die enge Kooperation mit Schulen und damit die Erschließung einer jungen Leserschaft. Wolfgang Keil verspricht sich von dieser Zusammenarbeit auch noch einen gewissen Domino-Effekt. Denn Stefan Andres, ein Kind der Trierer Region, ist nach wie vor lesenswert, nicht nur, was seine biografisch beeinflussten Romane wie beispielsweise „Der Knabe im Brunnen“ oder „Die unsichtbare Mauer“ betrifft.

Für Wolfgang Keil ist Stefan Andres nicht bloß ein herausragender Schriftsteller, sondern auch ein großer Europäer und Visionär, der schon in den 1930er Jahren ein vereintes Europa und vor allem die Aussöhnung mit Frankreich im Blick hatte. Ein Beweis dafür ist unter anderem der von ihm im Jahr 1939 verfasste Roman „Die „Hochzeit der Feinde“, der wegen der Nazi-Zensur erst 1947 vom Scientia-Verlag in Zürich herausgegeben wurde.

Keil zitiert in diesem Zusammenhang gern auch den 1966 erschienenen Andres-Beitrag „Mein liebes, altes Trier“, in dem dieser nicht die Porta Nigra, sondern die Römerbrücke als ein beeindruckendes Wahrzeichen und Symbol bezeichnet hat, „das mit seinen Pfeilern alle Zerstörungswut der Zeiten überstanden und Trier als die ausgestreckte Hand Deutschlands nach Westen versinnbildlicht hat“. Stefan Andres‘ Werk ist für Wolfgang Keil immer noch eine wahre literarische Fundgrube. Regelmäßig überrascht beispielsweise der Andres-Forscher Manfred Moßmann den StAG-Präsidenten mit bis dato unbekannten Veröffentlichungen des Schriftstellers, die dieser während der Nazi-Zeit in den Feuilletonteilen deutscher Publikationsorgane an der Zäsur vorbei dank seines geschickten „verdeckten Schreibens“ von Positano aus veröffentlicht hat.

Stefan Andres hat nicht nur als Schriftsteller, sondern darüber hinaus in vielen Reden immer wieder ein Zusammenrücken der Europäer beschworen, „weil ich schon immer ein zum Frieden geborenes Deutschland ersehnt habe“. Wolfgang Keil, der den Schriftsteller auch wegen seiner Charakterstärke und Unbeugsamkeit schätzt, bewundert besonders dessen beeindruckende Plädoyers für den Frieden und einen gelebten Humanismus. Der StAG-Präsident weist dabei auf Andres‘ philosophisches Gedankengut hin, das entscheidend von Platon und Aristoteles beeinflusst worden ist.

Wolfgang Keil (78), der am 29. Juni in der Jahreshauptversammlung der Gesellschaft noch einmal für das Präsidentenamt kandidieren wird, hat in den vergangenen Jahren mit vielen neuen Ideen eine kleine „Marketing-Offensive“ im Sinne von Stefan Andres gesorgt. Exkursionen, Lesungen und der alljährlich im Niederprümer Hof in Schweich stattfindende Gesellschaftsabend „Literatur und Weinkultur“ mit Rezitationen, die auf von Keil erarbeitenden Exzerpten beruhen, sowie Autorenlesungen sind Höhepunkte im Programm der „Andres-Jünger“.

Die Gesellschaft pflegt übrigens seit Kurzem enge Kontakte zum Lycée des Garçons in Esch-sur-Alzette. Die luxemburgische Stadt, neben dem litauischen Kaunas im Jahr 2022 Europäische Kulturhauptstadt, wird über das Lycée und deren Schüler auch mit Stefan Andres und seinen Werken, die ihn als überzeugten Europäer ausweisen, die Werbetrommel rühren.

 Überzeugter Europäer: Stefan Andres als 44-Jähriger 1950.

Überzeugter Europäer: Stefan Andres als 44-Jähriger 1950.

Foto: Stefan-Andres-Gesellschaft

Für Wolfgang Keil ist die positive Resonanz, die die Stefan-Andres-Gesellschaft mit ihrer Arbeit findet, mit ein Grund, als Präsident weiterzumachen, um über das Andres-Erbe hinaus der Literatur in Zeiten digitaler Überflutungsgefahr eine Stimme zu geben.  Horst Lachmund

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