Trifolion-Talkreihe Mit Bildung gegen dumpfe Parolen

Echternach · Warum Patriotismus und europäischer Geist sich nicht ausschließen, erklärt die Autorin Thea Dorn im Echternacher Trifolion.

 Thea Dorn spricht über ihre Sicht auf die Lage Europas.

Thea Dorn spricht über ihre Sicht auf die Lage Europas.

Foto: Dirk Tenbrock

Sie ist eine der streitbarsten Autorinnen deutscher Sprache und vertritt durchaus umstrittene Thesen. Eines kann man Thea Dorn (eigentlich Christiane Scherer, das Pseudonym ist eine Anspielung auf den Philosophen Theodor Adorno) jedoch nicht absprechen: Sie ist eine überzeugte und leidenschaftliche Streiterin für Freiheit, Demokratie und die europäische Gemeinschaft. Am Donnerstagabend ist sie ins Trifolion nach Echternach gekommen, um in der Reihe „Horizonte“ ihre Thesen vorzustellen. Thea Dorn sagt – und sie hat gerade ein bemerkenswertes Buch mit dem provokanten Titel „Deutsch, nicht Dumpf“ darüber geschrieben – dass ein aufgeklärter Patriotismus nicht nur der gesamteuropäischen Einigung nicht im Wege stehe, sondern geradezu ihre Voraussetzung sei. Dafür erntete sie harsche Kritik aus der „linken Szene“, auch von Kollegen. Sie berichtet, dass bei der großen „Wir sind mehr“ Demonstration 2018 in Berlin ihre Freunde von den Veranstaltern genötigt wurden, eine schwarz-rot-goldene Fahne wieder einzurollen, dabei stünden doch gerade diese Farben seit Anfang des 19. Jahrhunderts für Freiheit und Demokratisierung in Deutschland. Das gibt ihr zu denken, sie meint, dass nur eine Nation, die ihre Wurzeln und Identität kenne, auch ein wertvolles Mitglied der Staatengemeinschaft sein könne. Die Voraussetzung sei eine umfassende Bildung: „Wir müssen in ein triftiges, europäisches Bildungskonzept investieren, vor allem in die Geisteswissenschaften, es ist ein Missverständnis, dass man die in der harten, auf Effizienz ausgelegten Welt nicht mehr braucht.“

Sie sagt: „Kosmopolitismus und Patriotismus sind keine Gegensätze, schon um 1790 skizzierten preußische Gelehrte das Modell einer Einwanderungsgesellschaft im besten, liberalen Sinne der Aufklärung.“ Dafür müssten die Zuwanderer mit offenen Herzen empfangen werden, aber auch das neue Land mit ganzem Herzen wollen.

Das hört sich alles nach theoretischem Papier-Geraschel an, Dorn bringt aber auch selbst erlebte Beispiele gelungener Integration ihrer türkischstämmigen Freunde oder berichtet von einer Berliner Schule mit hohem Anteil an Migrantenkindern, wo der Direktor erfolgreich Latein als Pflichtfach einführte. Manch einer sehe ja die gegenwärtigen Migrationswellen als eine Art Strafe für Kolonialismus und Ausbeutung, aber dennoch „haben wir das Recht jemanden abzuweisen; es ist eine Illusion, dass individuelle Freiheit bei unkontrollierter Zuwanderung möglich ist.“

Im Kontext spielt natürlich auch der Begriff „Heimat“ eine Rolle, das ist für sie ein Ort, wo man zur Ruhe kommt, wo man sich – frei nach Herder – nicht erklären müsse. Deshalb findet sie auch die Einrichtung eines Heimatministeriums problematisch, das steht für sie für die Sehnsucht nach verlorener Kindheit. Das Internet, das viele junge Menschen ja als Heimat bezeichneten, sei so ein Ort definitiv nicht. Dazu gehöre schon auch der empathische Austausch der Bürger im „Real-Life“. Dorn spricht dabei ruhig und gelassen, sie ist absolut im Thema und hat ihre Recherche-Hausaufgaben gemacht. Deshalb erntet sie auch viel Zustimmung bei den (nur) 70 Zuschauern im Atrium des Trifolion, jedoch auch einigen Widerspruch in der anschließenden Publikums-Diskussion über ihre provokanten Thesen zum aufgeklärten Patriotismus. Alle eint zwar die Skepsis, ob Europa den gemeinsamen, freiheitlich-zivilisierten Weg auch weiter beschreiten werde, aber auch die Hoffnung, dass das in Zeiten einfacher, populistischer Antworten auf komplizierte Fragen noch möglich sei.

Durch den Abend führt intellektuell und geschichtlich kenntnisreich als Moderator Manfred Osten, ein ehemaliger Diplomat, der mit einem Satz des österreichischen Satirikers Karl Kraus schließt: „Wenn alle Stricke reißen, hänge ich mich auf. Aber erst dann!“

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