Tanztheater Wenn jeder sich selbst der Nächste ist

Trier · Saeed Hani Möller setzt sich mit seiner aktuellen Choreografie mit Narzissmus auseinander. Heute hat das Tanztheater-Stück „The Blind Narcissist“ im Messepark Trier seine Premiere.

 Szene aus dem Tanzstück „The Blind Narcissist“ von Saeed Hani Möller.

Szene aus dem Tanzstück „The Blind Narcissist“ von Saeed Hani Möller.

Foto: Bert van Pelt

Auf dem Boden liegen Spiegel verstreut. Auch der Wandschirm hinten in der Ecke verwandelt sich umgedreht in eine riesige Spiegelfläche. Einer der beiden Tänzer hält sie hoch. Der andere drückt sich zärtlich dagegen, um sein eigenes Spiegelbild zu liebkosen. Seinen Partner dahinter nimmt er nicht wahr.

Im Ballettsaal der Trierer Tufa probt Saeed Hani Möller sein neues Tanzstück „The Blind Narcissist“. Einmal mehr arbeitet der Tänzer und Choreograf dabei mit dem Trierer Verein menschMITmensch zusammen. Nach seinen Produktionen „One Night Stand“ und „Dem Menschen ein Wolf“ setzt sich der Künstler wiederholt mit einem gesellschaftskritischen Thema auseinander, dem Narzissmus. Ein Verhalten, das nach Ansicht von Psychologen auf dem besten Weg ist, zur Volksbewegung zu werden.

Narzissten sind, salopp gesagt, Egozentriker, die in sich selbst verliebt sind, im schlimmsten Fall bis hin zur Persönlichkeitsstörung. Ihren Namen haben sie vom schönen Halbgott Narziss aus der griechischen Mythologie, der seinem Spiegelbild verfiel. Nun muss man nicht gleich den Teufel an die Wand malen. Allerdings scheint die Bereitschaft, sich um sich selbst zu drehen und rücksichtslos die eigenen Ansprüche durchzusetzen, auf dem Vormarsch. Im Zeitalter von Selfie- Wahn und Social Media, deren Nutzer bisweilen jede eigene Regung für öffentlich relevant halten, ist nicht nur die Impulskontrolle vielerorts heruntergefahren und die Eigenwahrnehmung verzerrt.

Wo sich jeder selbst der Nächste ist, ersetzt Selbstüberhöhung schnell mitmenschliche Zugewandtheit. „Generation Beziehungsunfähig“ nennt der amerikanische Autor Michael Nast die zeitgenössischen Narzissten. Als geradezu visionär darf das Buch „Die Kultur des Narzissmus“ des Harvard Historikers Christopher Lasch gelten, das bereits 1979 erschien.

Auch Saeed Hani Möller beunruhigt die wachsende Anzahl der Alltagsnarzissten. Aber nicht nur die: „Ich sehe auch in der internationalen Politik eine Zunahme an narzisstischen Persönlichkeiten“, sagt der aus Syrien stammende Choreograf, der inzwischen als Wahl-Trierer an der Mosel beheimatet ist.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ein gewisses Maß an Narzissmus, an Eigenliebe ist lebenswichtig. Zur ihr Umfeld zerstörenden Persönlichkeitsstörung wird die Selbstbezogenheit und Selbsterhöhung allerdings, wenn sie andere erniedrigt und zu beherrschen sucht und jeglicher sozialer Kompetenz und Empathie entbehrt.

Von der Unmöglichkeit einer gelungenen emotionalen Beziehung zu einem Narzissten handelt auch Saeed Hani Möllers Tanz-Produktion. Dazu hat der über die Region hinaus gefragte Choreograf, der unter anderem in Berlin arbeitet, die beiden Tänzer Gabriel Lawton und Robin Rohrman verpflichtet. „Gabriel und Robin sind die perfekte Besetzung für das Stück“, sagt Hani Möller über die heute ebenfalls in Berlin lebenden Künstler, die international unterwegs sind.

Dem körperbetont arbeitenden Choreografen ist neben der tänzerischen Kompetenz die Fähigkeit wichtig, das Thema seiner Stücke emotional zu durchdringen. Narzissten also allerorts: Bei Smartphone-Besitzern, Influencern, Politikern, oder dem Jugendwahn verfallenen Zeitgenossen. Eins ist für Hani Möller klar: Wer sich permanent um sich selbst dreht und zum Monument überhöht, übernimmt sich nicht nur, er bleibt am Ende auch allein. Auch das will sein Stück zeigen.

Premiere: Heute, Donnerstag, 22. Oktober, 20 Uhr, in der Messeparkhalle Trier. Weitere Termine: 23., 24. und 25 Oktober, jeweils 20 Uhr. Weitere Informationen unter: www.menschmitmensch.de

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