CD / Jazz Frauenpower

Ist Jazz eine Männerangelegenheit? Könnten unbefangene Hörer  fast annehmen, wenn sie in seine Historie oberflächlich eintauchen. Sängerinnen waren zwar bereits früh dabei – vor allem in Big Bands –, doch Instrumentalistinnen und Komponistinnen wie etwa die Pianistin Carla Bley (*1936) gelten eher als Ausnahmeerscheinungen.

 reingehört Cæcilie Norby: sisters in jazz

reingehört Cæcilie Norby: sisters in jazz

Foto: Verlag

Doch auch wenn Männer heutzutage im Jazz noch bei weitem in der Überzahl sind, drängen Frauen an allen Instrumenten nach vorne und stellen nachdrücklich ihr Können unter Beweis.

Das ist auch das Ziel des hier vorzustellenden Albums „sisters in jazz“ der dänischen Sängerin Cæcilie Norby, die mit fünf weiteren Geschlechtsgenossinnen gekonnt nachweist, dass Jazz auch weiblich ist. Ihr zur Seite stehen Rita Marcotulli (Piano; Italien), Nicole Johänntgen (Saxofon; Schweiz), Hildegunn Øiseth (Trompete; Norwegen), Lisa Wulff (Bass; Deutschland), Dorota Piotrowska (Schlagzeug; Polen). Bei vier Titeln ist auch die bekannte Percussionistin Marilyn Mazur (USA/Dänemark) mit von der Partie. So zahlreich wie die Herkunftsländer der beteiligten Musikerinnen, so unterschiedlich ist auch deren Alter: Zwischen der jüngsten und der ältesten Jazzerin liegt eine Zeitspanne von 35 Jahren! So zeigt sich nachdrücklich, was Cæcilie Norby konstatiert: „Das ist das Tolle am Jazz, dass Grenzen wie Nationalität, Geschlecht und Alter verschwinden, sobald du Musik machst.“

Hingegen setzt sich der weibliche Aspekt der CD bei den zwölf ausgewählten Stücken (­Gesamtspielzeit: fast 56 Minuten) fort: Sie stammen ausschließlich von Komponistinnen. Und die reichen zeitlich von Pionierinnen des Jazz wie Betty Carter und Nina Simone über Singer-Songwriter wie Joni Mitchell und Carole King bis hin zu Rickie Lee Jones und Bonnie Raitt. Dazu kommen noch eigene Titel von Norby und Marcotulli.

Den Stempel drückt dem Album neben Cæcilie Norbys einprägsamer, oft einschmeichelnder und wirklich angenehmer Bar-Lounge-Stimme Rita Marcotullis Pianospiel auf. Dazu können die melodiösen Bläser- und Saxofonsätze von Øiseth und Johänntgen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Sowohl Marilyn Masur (2010) als auch Nicole Johänntgen (2015) sind in Trier keine Unbekannten: Beide wurden hier schon mit dem JTI Jazz Award ausgezeichnet.

Als Anspieltipps zu empfehlen ist die Eröffnungsnummer „Easy Money“ (1), ein Cover von Rickie Lee Jones ruhigem Song von 1979. Zudem die Version von Joni Mitchells „Man From Mars“ (4) aus dem Jahr 1998 mit tollem Piano und experimentellen Tönen angereichert sowie Marcotullis und Norbys schnelle Eigenkomposition „Puzzled“ (7), „zusammengesetzt“ aus Scat-artigen Phrasierungen und Samba-Anklängen. In „Do I Move You“ (12), einem Cover von Nina Simones Hit von 1967, geht Cæcilie Norby „richtig aus sich raus“, ihre Stimme klingt geradezu wild und weckt Assoziationen an die früheren Jazzsängerinnen.

Insgesamt ein sehr gelungenes Album, das abgesehen von seinen hehren Zielen auch hervorragende Musik bietet. Jörg Lehn

Cæcilie Norby: sisters in jazz. With Rita Marcotulli, Nicole Johänntgen, Hildegunn Øiseth, Dorota Piotrowska, Lisa Wulff, ACT 9738-2, LC 07644, ACT Music + Vision, München 2019,17, 50 Euro.

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