Literatur Ein Voodoo-Krimi nach Dirty-Harry-Manier

In seinem vierten auf Deutsch erschienenen Fall untersucht der haitianische Inspektor Azémar eine rätselhafte Mordserie, die skurriler und brutaler kaum sein könnte. Hauptakteur dabei ist eine verschwundene Katze.

 Cover Gary Victor

Cover Gary Victor

Foto: Verlag Litradukt

Ein richtiger Sympathieträger ist Dieuswalwe Azémar nicht: ein schielender Sonnenbrillenträger, der dem karibischen Zuckerrohrschnaps verfallen ist, ein ehemaliger Elitesoldat, der sich stets Sorgen um seine im Ausland lebende Adoptivtochter macht und der scheinbar letzte aufrechte und mitunter schießbereite Polizist in einem der ärmsten Länder der Welt, das sich vor allem durch Korruption, Vetternwirtschaft und eine hohe Kriminalität auszeichnet. Da passen Voodoo-Sessionen, Wahnvorstellungen und eine mysteriöse Mordserie in Haiti perfekt ins Bild seines vierten auf Deutsch erschienenen Falls „Im Namen des Katers“ (kreolisch: W ap konn Georges und aus dem Französischen übersetzt von dem Trierer Verlag Litradukt). Inspektor Azémar untersucht diesmal eine rätselhafte Mordserie: Alle Opfer waren – wie der Inspektor selbst – süchtig nach dem haitianischen Zuckerrohrschnaps Kleren. Zudem waren alle Opfer Katzenfleisch-Esser, das nach Meinung mancher Trinker perfekt zum Schnaps passt. Als Azémar die Ermittlungen auf Befehl seines Chefs unterbricht, um einen gewissen Georges zu suchen, sticht er nichtsahnend in ein Wespennest. Alle Welt scheint hinter Georges her zu sein. Je weitere Kreise der Fall Georges zieht, desto gefährlicher wird es für den Inspektor, zumal sich auch immer mehr Gestalten auftun, die mit ihm noch eine Rechnung offen haben. Und als sich auch noch herausstellt, dass es sich bei Georges um eine vermisste Katze handelt, wird die Geschichte immer verworrener. Azémar verstrickt sich in den Kampf gegen Bandenkriminalität, Okkultismus und seine eigenen Dämonen.

Gary Victor gilt als einer der bekanntesten Autoren, Theaterschreiber und Journalisten Haitis. Sein Werk ist mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet. Victors makabrer Blick auf die Gesellschaft des gebeutelten Landes garniert er mit einer gehörigen Portion schwarzen Humors, lässt das Ganze abstrus vor sich hinköcheln und krönt den Schluss mit einigen offenen Fragen. 1958 in Port-au-Prince geboren, lebt Victor noch heute in Haiti, was seine Beschreibungen all der recht widersprüchlichen Erscheinungen Haitis umso authentischer wirken lässt.

Allen Katzenfreunden sei schließlich gesagt: Dieuswalwe Azémar wäre nicht der Dirty Harry Haitis, würde er die Katze nicht finden und wohlbehalten bei seiner Besitzerin aus höheren Kreisen wieder abgeben – allerdings um einige seelische und körperliche Wunden und Narben reicher.

Sabine Schwadorf

Gary Victor, Im Namen des Katers, Litradukt Verlag, 168 Seiten, 12 Euro.
Victor ist derzeit auf Lesereise und stellt seinen Roman am Dienstag, 29. Januar, 19 Uhr, in der Volkshochschule (VHS) Trier vor. Veranstalter der zweisprachigen Lesung sind das America Romana Centrum der Universität Trier, der Trierer Verlag Litradukt, der die Werke Victors auch ins Deutsche übersetzt, und die VHS. Der Eintritt ist frei.

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